Goldfieber
selbst sah furchterregend aus, sein Gesicht noch verzerrt und mit kaltem Schweiß bedeckt, seine Hände mit Blut bespritzt. »Morgen Abend«, sagte er zu Montezuma, »werden diese Herrscher mir den Vasalleneid leisten. Und Ihr werdet mit gutem Beispiel vorangehen, mein brüderlicher Freund.«
Ich war dabei, und ich sah, wie sich Montezumas Augen mit Tränen füllten.
Es geht zu Ende!, durchzuckte es mich und ein heftiges Schwindelgefühl erfasste mich, dabei verstand ich nicht im Mindesten,was diese Vorahnung eigentlich besagte. Dass wir endlich den Sieg errungen hatten – oder dass die Ereignisse in jenem Landhaus unsere endgültige Niederlage bedeuteten.
Am Tag darauf stakste jedenfalls Notar Gutierrez zur anberaumten Stunde in den Thronsaal, das Requerimiento unter dem Arm. Cuitláhuac war gleichfalls zugegen, ebenso wie Dutzende weiterer hochgestellter Ratgeber und Offiziere aus Tenochtitlan und aus den anderen Königshäusern. Außerdem hatte unser Herr natürlich alle Hauptleute herbeibefohlen, seine Vertrauten, den »Würdevollen« und den »Narbigen«, die beiden Franciscos und alle anderen. Nur der »Tollkühne« fehlte – er war als Stadtkommandant in Vera Cruz geblieben. Cortés’ treuer Gefolgsmann Juan de Escalante war in jenem Kampf gegen die aztekische Garnison schwer verletzt worden und wenige Tage später gestorben.
Montezuma weinte aufs Neue, als Gutierrez die entscheidende Passage aus dem Requerimiento vortrug . Dabei schaute der Notar so verdrießlich wie immer drein, weil es wieder einmal keine Sitzgelegenheit für seine knochigen Gliedmaßen gab und weil er voraussah, dass sich die Vereidigung von sieben indianischen Fürsten elend lang hinziehen würde. Zumal Marina wiederum übersetzen musste und vier der künftigen Vasallen mehr tot als lebendig schienen. Während der fünfte hemmungslos weinte und selbst Conacochtzin, der neue König von Texcoco, sichtlich um Fassung rang.
» Hiermit erklären wir, die Herrscher von Tenochtitlan, Texcoco und Tlacopan, Tollocan und Itzapalapa, Matalcingo und Coyoacan, dass wir uns Seiner Majestät, König Karl I. von Spanien, als Vasallen unterwerfen und der spanischen Krone für alle Zeiten Tribut und Gehorsam schulden .«
Marina übersetzte und Montezuma schluchzte noch lauter und verbarg sein Gesicht in den Händen. Unser Herr aber saß neben ihm auf dem Thron, das aufgeschraubte Tintenfass in der Hand. »Taucht Eure Fingerspitze hier hinein, mein edler Bruder«,sagte er sanft, »und drückt sie dann auf das Dokument. Das ist alles – und Ihr werdet sehen, danach fühlt Ihr Euch leicht und frei.«
Wie Montezuma sich anschließend fühlte, weiß ich nicht zu sagen – sein Herz war vor Schmerz so verkrampft, dass ich es nicht zu ergründen vermochte. Doch er tunkte seinen Finger fügsam in die Tinte und drückte ihn dann auf das Requerimiento . Und mit einiger Mühe, unter Tränen und Ächzen machten es ihm die anderen Könige nach.
Kurz darauf feuerten unsere Artilleristen die Kanonen ab – sieben donnernde Salutschüsse zum Lob Gottes, unseres Königs und unseres siegreichen Anführers Cortés. Ich stand an einem der großen Fenster des Thronsaals und da erfasste mich aufs Neue jenes Schwindelgefühl. Ich schaute hinaus und erblickte eine der großen Steinkugeln, die aus unseren Kanonen abgefeuert worden waren. Sie flog zum Himmel empor und stand einen atemberaubenden Augenblick lang so groß und strahlend am Firmament wie die Sonne selbst. Doch nur einen Wimpernschlag darauf wurde sie vom Sog der Schwere erfasst und stürzte zur Erde zurück.
Es geht zu Ende!, dachte ich wieder, noch ganz benommen von meiner Vision.
- 8 -
Nun, es sollte noch länger als einen Wimpernschlag dauern, bis auch uns jener Sog ergriff. Fast vier Monate sind vergangen, seit Montezuma und die anderen Fürsten unserem Herrn den Treueeid schworen – doch im Rückblick erscheint mir auch diese Zeitspanne unwirklich kurz. Als hätten sich das Rieseln der Körner in der Sanduhr, der Wechsel von Tag und Nacht, die Drehungen der Gestirne am Himmel irrsinnig beschleunigt, seit wir am höchsten Punkt unseres Triumphs für einen Moment wie schwerelos schwebten.
Während ich diese Sätze aufs Papier werfe, bin ich gefangen in der Pagenkammer unseres Palastes, und einer jener »Raufbolde« steht als Wache vor meiner Tür! Cortés ist fort und mit ihm der größte Teil unserer Männer! Auch Diego ist mit unserem Herrn davongezogen, und Alvarado soll als Cortés’ Statthalter
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