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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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enthalten mögen, und jedes Mal antworten sie sich selbst voll gieriger Hoffnung: Gold!
    Schließlich lassen wir den Wald wieder hinter uns und treten hinaus auf den sandigen Hang, der zum Meer hin abfällt, von der sinkenden Sonne beschienen. Unsere Schiffe wiegen sich in der Dünung, und die Boote liegen nebeneinander am Strand, von einem Dutzend gelangweilter Männer bewacht.
    Als sie Cortés in der Priesterrobe sehen, wie er ihnen singend und Weihrauch schwenkend entgegenschreitet, springen sie auf und reißen die Augen auf. Cortés geht zielstrebig auf ein Boot zu, das umgekehrt im Sand liegt, und schwingt sich darauf.
    Die Indianer nähern sich scheu, fallen vor ihm auf die Knie und breiten ihre Gaben aus: kunstvollen Federschmuck, Brote und Früchte, Figuren aus Jade und Grünstein. Auch goldene Gaben sind hier und dort dazwischen, eine kleine Goldmaske, eine winzige Statue, eine Vase mit Blattgoldverzierung. Doch eingeschmolzen ergibt das alles gewiss nur ein paar Bröckchen reines Gold.
    Sobald die Indianer ihre Hände wieder frei haben, falten sie sie aufs Neue zum Gebet und stoßen Rufe aus, die entfernt wie Ave, Maria oder Stabat Mater klingen. Unter diesen Anrufungen begeben sie sich zu den Tauschgaben, die einige Schritte abseits für sie ausgebreitet liegen. Cortés hat offenbar Boten vorausgeschickt und alles vorbereitet: Wer eine Gabe abgeliefert hat, darf sich dafür aus dem Klimperkram etwas auswählen, den wir aus Kuba mitgebracht haben – Scheren und Nadeln, Spiegel und Ketten aus grünen Glasperlen.
    In den Gesichtern unserer Männer spiegelt sich Enttäuschung, als sie die geringe Ausbeute an goldenen Gegenständen in Augenschein nehmen. Die Indianer scheinen von unseren Tauschgaben gleichfalls wenig angetan. Nachdem alle Gaben abgeliefert sind und jeder sich etwas im Tausch dafür ausgesucht hat, wird die Stimmung unversehens wieder frostig.
    Die Indianer machen finstere Gesichter. Sie messen uns mit drohenden Blicken, und plötzlich wird mir bewusst, dass sie allesamt bewaffnet sind. Mit bemalten Bogen, die sie über der Schulter tragen, mit Köchern voller Pfeile auf dem Rücken, Speeren und gewaltigen Holzprügeln. Doch angesichts unserer Schwerter und Rüstungen bezähmen sie ihren Zorn.
    Ein stämmiger Indianer mittleren Alters tritt vor. Sein Kopfist prachtvoll mit grünen und blauen Federn geschmückt, sein Gesicht in den gleichen Farben bemalt. Er hält einen Speer mit einer faustgroßen Spitze aus schwarzem Stein in der Hand. An seinem Gürtel hängt ein Holzknüppel, in dessen Seiten gezackte Klingen aus dem gleichen schwarzen Stein eingelassen sind. Noch ehe er das Wort ergreift, ist mir klar, dass er niemand anderes sein kann als Häuptling Aak-ek.
    Er tritt ganz nah an Cortés heran, der unterdessen von dem Boot heruntergestiegen ist. Aak-ek faucht einen Wortschwall hervor und stößt zur Bekräftigung seinen Speer mit dem stumpfen Ende in den Sand.
    Cortés weicht keinen Zoll vor ihm zurück. Sie sind ungefähr gleich groß und berühren sich beinahe mit den Nasen.
    »Melchorejo«, sagt er mit vollkommen beherrschter Stimme und sieht dabei dem Häuptling in die Augen. »Frage ihn, warum sie nicht mehr Gold gebracht haben.«
    Unser Dolmetscher stammelt irgendetwas und der Häuptling sieht ihn wütend an und faucht eine Antwort.
    »Dorfkönig sagen«, radebrecht der verängstigte Melchorejo, »sie hier kein Gold!«
    Noch während Melchorejo stammelnd übersetzt, hebt Häuptling Aak-ek seinen Arm und deutet die Küste hinauf nach Norden. »Besteigt eure Inseln und schwimmt davon«, befiehlt er uns. »In groß, groß Stadt Potonchan oben am Tabasco-Fluss gibt es viel, viel Gold!«
    Cortés dankt dem Häuptling und verspricht ihm, dass wir bald wiederkehren werden. Aus Aak-eks Miene kann ich mühelos ablesen, dass ihm dieses Versprechen wenig Freude macht.
    Unsere Männer raffen die Gaben der Indianer zusammen und verladen sie in die Boote. So starr wie die steinernen Alleebäume in ihrer alten Stadt verharren Häuptling Aak-ek und seine Tausend Krieger am Strand und schauen uns hinterher, während wir die Boote besteigen und zurück zu unseren Schiffen rudern.
    »Diese einfältigen Wilden«, sagt Diego später an Bord der Santa Maria zu mir. »Wie leicht sie zu beeindrucken sind!«
    »Einfältig?«, wiederhole ich, und diesmal bin ich es, der ihn verständnislos ansieht. »Glaubst du das wirklich, Diego?«
    Seine Antwort besteht nur aus einem spöttischen Schnauben, aber das ist mir

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