Goldfieber
hatte, eine flammende Rede, und anstatt ihn zu verhaften, schlossen sie sich allesamt der Expedition an. Auch Morla entschied sich, mit uns in See zu stechen, doch jedem war klar, dass er nach dieser Wendung nicht mehr als Gefolgsmann von Cortés mitkommen würde, sondern als Velazquez’ Späher.
»Warte noch, Francisco«, sagt Cortés. »Erst wollen wir zusammen den Tabasco-Fluss auf seinen neuen Namen taufen.«
Morla presst die Lippen aufeinander. Stocksteif tritt er an die Reling und sieht zu, wie Cortés dem heidnischen Fluss einen neuen Namen gibt.
Unser Herr breitet die Arme aus. Dabei schaut er in Richtung Westen, wo der gewaltig breite Strom in den Ozean mündet. »Im Namen des Heiligen Vaters und des allerkatholischsten Königs von Spanien«, ruft er, »das Gewässer, das die Indianer Tabasco-Fluss nennen, heißt fortan Rio Grijalva!«
Ich bin nicht besonders abergläubisch, doch bei diesen Worten beschleicht mich ein ungutes Gefühl. So als würden wir, den umgetauften Fluss aufwärts segelnd, nun allesamt so mutlos werden wie Juan de Grijalva.
Kurz darauf fahren wir mit den beiden Brigantinen den Fluss entlang, ein halbes Dutzend Beiboote von den Karavellen im Schlepptau. Unser Spähtrupp besteht nur aus hundertfünfzig Mann, nicht mitgerechnet die Rudersklaven. Der größte Teil unserer Streitmacht ist in der Bucht zurückgeblieben und mit ihnen auch unsere Kanonen und Armbrustschützen.
Anfangs verläuft der Rio Grijalva zwischen hohen Felswänden und ein kräftiger Südwind treibt uns voran. Doch schon hinter der ersten Biegung erlahmt die Brise und die Berge weichen zurück. Stattdessen ragt an beiden Ufern nun Urwald auf, ein Gewirr aus Bäumen, Gestrüpp und armdicken Lianen. Obwohl wir sämtliche Segel gesetzt haben, kommen wir nur noch sehr langsam vorwärts. Die Sklaven in den Beibooten rudern mit aller Kraft gegen die Strömung an. Ihr Keuchen wird übertönt von den vielfältigen Lauten des Dschungels. Den Schreien der Affen, den glucksenden Rufen der Vögel, deren buntes Gefieder in der Sonne leuchtet.
Diego lehnt neben mir an der Reling und schaut mit ausdruckslosem Gesicht auf den Fluss hinab. Ich spüre, dass auch ihm beklommen zumute ist, aber ihn danach zu fragen hat keinen Sinn. Er würde mich nur wieder auslachen, und bei dernächsten Gelegenheit würde er Gonzalo de Sandoval erzählen, dass ich mich wieder einmal »vor den Teufelsjüngern geängstigt« hätte.
Dabei müsste auch Diego zu denken geben, was Häuptling Aak-ek seinem Schwiegersohn Geronimo de Aguilar erklärt hat, bevor er ihn zum Opferstein schleppen ließ: Nur wenn die Indianer ihren Götzen hellhäutige Menschen opfern, sendet der Teufel ihnen als Gegenleistung einen Schadenszauber, der uns vernichtet oder zumindest wieder vertreibt. Nur aus diesem Grund sind unsere Schiffe bisher nicht untergegangen und einzig deshalb wurden wir im Wald bei Puerto Deseado weder von Steinlawinen verschüttet noch von Skorpionen oder Giftschlangen angegriffen: weil der Teufel auch seinen treuesten Jüngern nichts umsonst gibt. Aber wenn die Indianer jetzt auf die Idee kämen, uns hier auf dem Fluss mit ihren Kanus zu umzingeln, dann müssten wir uns ihrer schieren Überzahl geschlagen geben. Nach kürzester Zeit hätten sie genügend Gefangene erbeutet, um ihre Götzen wochenlang mit Christenfleisch zu mästen.
Doch von alledem sage ich nichts – weder zu Diego noch gar zu Cortés.
Der Schweiß tropft mir in den Kragen, dabei bewege ich mich so wenig wie überhaupt möglich. Aber den anderen geht es nicht besser. Auf der Hemdbrust von Francisco de Morla prangt ein Schweißfleck mit den Umrissen eines abstürzenden Adlers. Das Gesicht von Portocarrero ist dunkelrot und glänzt vor Schweiß. Nur ein paar Schritte neben Diego und mir hockt der »Dröhnende« auf einem Holzfass und starrt ungewohnt schweigsam in den Dschungel hinüber.
Selbst Sandoval kommt mir heute weniger draufgängerisch vor. Er steht ganz vorn im Bug der zweiten Brigantine, die an unserer Backbordseite segelt, und seine Blicke schweifen unruhig umher. Dicht nebeneinander fahren wir in der Mitte des wohl dreihundert Fuß breiten Stroms – aus Angst vor Sandbänken, an denenwir stranden könnten, aber wohl mehr noch, um den Speeren und Pfeilen der Indianer kein leichtes Ziel zu bieten.
Der Urwald da drüben sieht nur auf den ersten Blick undurchdringlich aus. Schaut man genauer hin, so erkennt man schmale Wassergräben, die zwischen Ästen und Blättern in
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