Goldfieber
der Mittagssonne blitzen. Wie Adern durchziehen sie die Wälder auf beiden Seiten des Rio Grijalva. Es müssen Dutzende, ja Hunderte sein, und überall dort, wo ein solcher Graben in den Rio Grijalva mündet, liegen die Indianer mit ihren Kanus auf der Lauer.
Doch aus irgendeinem Grund scheint Cortés mit keinerlei Zwischenfällen zu rechnen. Oder vielleicht will er auch nur diesen Anschein erwecken – dass wir friedlich und arglos seien wie die Enten im Uferschilf. Neben Kapitän Morla steht er auf der Kommandobrücke und schaut so starr wie beinahe immer voraus. Nicht einmal die finsteren Blicke, die Morla ihm zuwirft, scheint er zu spüren. Aber ich weiß ganz genau, dass dieser Eindruck täuscht. Cortés entgeht nichts von dem, was um ihn herum geschieht. Auf unserem Schiff, draußen im Fluss oder drüben im Dschungel.
Plötzlich schießt von rechts ein Kanu aus dem Dickicht und pfeilschnell auf den Strom hinaus. Da steht Cortés schon steuerbord an der Reling und schaut den Indianern in ihrem Langboot entgegen.
»Orteguilla«, ruft er mir zu, ohne den Blick vom Wasser abzuwenden, »bring mir Melchorejo!«
Ich laufe nach achtern, wo ich den schielenden Fischer zuletzt gesehen habe. »Melchorejo!«, rufe ich. »Rasch – zu unserem Herrn!«
Der Dolmetscher macht einen halbherzigen Versuch, sich hinter einer Taurolle zu verstecken. Ich packe ihn beim Handgelenk und ziehe ihn hinter mir her, zurück ins Vorderschiff. Den Geretteten mit der Schildkrötentätowierung, geht es mir durch den Kopf, habe ich nicht mehr zu sehen bekommen, seit wir vorgesternAbend in Puerto Deseado an Bord gegangen sind. Doch vom Wundarzt Jeminez hörte ich, dass er heute früh aus dem Fieberschlaf erwacht sei.
Als ich mit Melchorejo wieder vorn bei Cortés bin, gehen die Indianer mit ihrem Boot gerade längsseits. Es sind zwölf muskulöse Männer, von stämmiger Gestalt und bis an die Zähne bewaffnet. Sie tragen Umhänge aus Hirschleder, die mit funkelnden Fäden verziert sind, und auf den Köpfen kunstvollen Federschmuck. Ihre Gesichter sind leuchtend gelb und rot bemalt. Mit den zurückweichenden Stirnen und den spitz zugefeilten Zähnen sehen sie bedrohlich aus, wie Raubkatzen mit Menschenkörpern. In den Händen halten sie Blasrohre und hölzerne Knüppel, deren Seiten mit schwarzen Steinsplittern gezähnt sind. In ihren Gürteln stecken weitere Waffen, vielleicht Streitäxte, aber die sind unter den Umhängen nur undeutlich zu sehen.
»Im Namen des allmächtigen Gottes und des Königs von Spanien«, ruft Cortés zu ihnen herunter, »seid mir gegrüßt!«
Ich stoße Melchorejo mit dem Ellbogen an und er stottert eine Grußformel auf Chontal hervor.
»Bärtige Fremdlinge«, antwortet der Indianer mit dem prächtigsten Kopfschmuck, »was sucht ihr hier?« Die Türkissteine zwischen seinen zugefeilten Zähnen glitzern. »Dies ist das Land des Herrschers von Potonchan«, fügt er hinzu, »und ihr habt nicht das Recht, euch hier aufzuhalten!«
Melchorejo wagt es anscheinend kaum, diese grimmige Begrüßung zu übersetzen. Er zieht den Kopf ein und murmelt noch leiser als gewöhnlich vor sich hin. Als der Indianer einen weiteren Satz hervorbellt, zuckt unser Dolmetscher sichtbar zusammen.
»Na los, rede!« Cortés packt ihn im Nacken und drückt ihn gegen die Reling. »Was hat er gesagt?«
»Er … er … Krieger sagen«, stammelt Melchorejo, »Herrscher von Potonchan hat fünftausend Krieger und seine Götter sind tausendmal mächtiger als die Götter der bärtigen Fremden.«
Cortés lauscht dieser Drohung mit einem zerstreuten Lächeln. »Alonso«, ruft er über die Schulter, »schau dir das an!«
Portocarrero kommt zu uns herübergestampft und beugt sich neben Cortés über die Reling. »Bei allen Teufeln der Hölle!«, schreit er und reißt die Augen auf. »Ihre Äxte sind aus reinem Gold! Und ihre Umhänge sind mit Goldfäden durchwirkt!«
Portocarrero und Cortés wechseln einen Blick. In beider Augen bemerke ich wieder jenes fiebrige Glitzern, wie es nur das sonnengelbe Metall hervorrufen kann.
»Wir brauchen Proviant«, sagt Cortés. Seine Stimme klingt ruhig, geradezu gleichgültig, doch im Sprechen packt er Melchorejo aufs Neue im Nacken, wie ein Kaninchen oder einen jungen Hund. »Erkläre ihnen, dass wir nur aus diesem Grund gekommen sind: Wir brauchen Nahrung für unsere Männer. Truthahn und Maisfladen. Das ist alles. Wir werden gut bezahlen und sofort weiterfahren, wenn der Handel abgewickelt ist. Na los, sag
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