Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
spüren, dass die Gottheit, die Cortés anruft und zu der wir alle in kindlicher Frömmigkeit beten, so viel mächtiger und gerechter als alle ihre falschen Götzen ist.
    »So gehet hin in Frieden – im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!«, ruft Cortés schließlich und macht das Kreuzzeichen über uns. Dann wiederholt er die Formel auf Chontal – jedenfalls schließe ich aus dem Lächeln in den Gesichtern der Indianer, dass er sie in dieser Weise angesprochen hat.
    Die Mischung aus Stolz und Entsetzen, mit der Melchorejo zu ihm emporschielt, gibt mir vollends Gewissheit. Melchorejo steht ganz in meiner Nähe, und als Cortés einen weiteren Satz auf Chontal ausruft, sehe ich den Dolmetscher fragend an.
    »Tas-si ooroj!« , ruft unser Herr den Indianern zu und dann einen ganzen Schwall weiterer Worte auf Chontal.
    Die Indianer liegen allesamt vor ihm auf den Knien, die Hände emporgereckt, flach gegeneinander gepresst oder ungeschicktineinander geringelt. »Ave Maria!« , jauchzen sie. »Stabat mater dolorosa!«
    Melchorejo schielt mit einem Auge hoch zu Cortés und mit dem anderen zu mir. »Bringt Gold!«, formen seine Lippen auf Spanisch. »Bringt alles Gold, das ihr auftreiben könnt, zu den Schiffen. Dort erhaltet ihr gerechten Lohn.«
    Den Weihrauchkessel und das Silberglöckchen schwenkend, schreitet Cortés die Stufen hinunter und, so feierlich wie der Heilige Vater höchstpersönlich, die Allee mit den steinernen Fratzen entlang. Dazu singt er O Haupt voll Blut und Wunden und dann weitere fromme Lieder, eines nach dem anderen. Portocarrero, Alvarado und Sandoval machen ihren Männern Zeichen und sie stellen sich in Zweierreihen auf und marschieren singend hinter ihren Anführern her. Der Wundarzt Jeminez und der Schreiner Mendoza haben den Geretteten auf eine rasch gezimmerte Trage gelegt und schleppen ihn hinterdrein. Der Altar bleibt auf dem einstigen Teufelstempel zurück, mit der lächelnden Madonna, dem sechzig Fuß hohen Holzkreuz und unserer Fahne, die sich im Nachmittagswind träge bewegt.
    Singend und schreitend dreht sich Cortés um, und ich wage kaum, meinen Augen zu trauen: Hat er etwa mir ein Zeichen gemacht?
    »Na lauf schon, Orte!«, flüstert mir Diego zu. Er ist von irgendwoher plötzlich wieder aufgetaucht und marschiert neben mir so stramm wie ein Soldat. »Du siehst doch, dass unser Herr nach dir verlangt.«
    Ich schlängele mich durch die Prozession nach vorne. Cortés winkt mich an seine Seite und fragt mich in genau dem gleichen Singsang, in dem er eben noch In nomine patris gesungen hat, ob mir der Gerettete sein Herz geöffnet habe.
    Ich nicke ihm zu. Meine Augen leuchten, ich spüre es so deutlich, als ob mir brennende Kerzen in den Augenhöhlen stecken würden. Und mein Herz wummert wie eine Trommel und jubelt vor Stolz.
    Er neigt mir sein Ohr entgegen und ich beuge mich zu ihm hinüber. Viel lauter, als ich es eigentlich geplant hatte, rufe ich: »Er heißt Geronimo und ist ein Mönch aus Ronda, Herr! Er hat sieben Jahre bei den Indianern gelebt!«
    Cortés singt und schwenkt den Weihrauchkessel und ein feines Lächeln kräuselt seine Lippen. »Ein Zeichen der Vorsehung, Orteguilla!«, singt er. »Ein Zeichen mehr, dass Gott mit mir ist.«
    Dann befiehlt er mir, einen Bericht anzufertigen und alles niederzuschreiben, was der Gerettete mir anvertraut hat. Diesen Bericht darf niemand außer ihm selbst, Hernán Cortés, zu sehen bekommen, und ich darf auch keinem erzählen, was Geronimo mir offenbart hat. »Nicht einmal Diego de Coria«, singt Cortés, »gerade ihm nicht, denn er neigt zur Prahlsucht.« Von Geronimo aber, setzt er hinzu, solle ich mich während der folgenden Tage fernhalten.
    Warum, Herr, will ich fragen, warum soll ich den Umgang mit dem Geretteten meiden? Doch Cortés gibt mir durch ein Zeichen zu verstehen, dass er mich nicht länger an seiner Seite sehen will. Gehorsam lasse ich mich zu Diego zurückfallen. Cortés winkt Sandoval zu sich her und erteilt nun dem »Tollkühnen« singend und die Glocke schwenkend seine Instruktionen.
    Währenddessen hat sich die Menge der Indianer, die uns zur Küste folgen, auf nahezu Tausend vergrößert. Von allen Seiten kommen sie aus dem Wald herbeigelaufen und viele von ihnen sind mit Bündeln beladen. Die Augen von Portocarrero, Alvarado und allen anderen funkeln, wann immer ihr Blick, scheinbar beiläufig, auf einen dieser bunt umhüllten Packen fällt. Sicherlich fragen sie sich, was die Bündel

Weitere Kostenlose Bücher