Goldfinger
dort in dem Laden zu suchen haben!«
»Wir machen die ganze Arbeit.«
»Kann sein. Aber wenn was schiefgeht morgen früh, dann wette ich, daß unser Süßer den Grund weiß. Verstanden?« Sie wartete Bonds Antwort nicht ab, sondern ging weiter und gesellte sich zur Versammlung der Stabschefs.
Es war eine anstrengende Nacht. Man mußte unter den forschenden, freundlichen Blicken der Schaffner den Schein wahren. Letzte Besprechungen vorn und hinten im Zug mußten den Anschein ernster ärztlicher Beratungen erwecken - kein Zigarrenrauchen, kein Fluchen, kein Spucken. Eifersucht und Konkurrenzneid zwischen den Banden mußten unterdrückt werden. Die kalte Überheblichkeit der Mafia, besonders Jack Strap und seinen leichtlebigen Leuten aus dem Westen gegenüber, hätte vielleicht zu einer Schießerei geführt, wenn die Bandenchefs nicht ständig aufgepaßt hätten. Alle diese kleinen psychologischen Faktoren hatte Goldfinger vorausgesehen. Die »Zementmixer«-Mädchen waren abgesondert, es gab nichts zu trinken, und die Bandenchefs beschäftigten ihre Leute, indem sie ihnen weitere Unterweisungen gaben und längere Ausführungen machten über die Art, das Gold wegzubringen. Nebenbei spionierte man die Pläne der anderen aus, und des öfteren wurde Goldfingers Entscheidung eingeholt, wer nun die Straßen zur mexikanischen Grenze, zur Wüste und nach Kanada bekommen sollte. Goldfinger hatte da ein Wunder zustande gebracht. Abgesehen von seiner Person beruhigte seine genaue Planung und seine Zuversicht die gespannten Nerven und ließ unter den rivalisierenden Banden fast eine Art Teamgeist aufkommen.
Sobald der Zug das flache Land von Pennsylvanien durchbrauste, begannen seine Passagiere in schweren, unruhigen Schlaf zu fallen. Nur Goldfinger und Fakto blieben wach und aufmerksam. Bald gab Bond seine Idee auf, Fakto mit einem seiner verborgenen Messer zu erledigen und die Flucht zu wagen, sobald sich die Geschwindigkeit des Zuges vor einer Station oder bei einer Steigung verringerte. So döste er dahin und dachte über die Worte des Bahnhofsvorstands nach. Der hatte bestimmt alles für wahr gehalten und glaubte ernstlich, Fort Knox sei Katastrophengebiet. Entsprach die Nachricht aus Louisville den Tatsachen, oder war sie ein Teil des riesigen Verschleierungsplanes, der nötig war, um alle Verschwörer zu erwischen? Und wenn es solch einen Plan gab, wie genau war er vorbereitet? Würde alles klappen oder würde Goldfinger rechtzeitig gewarnt sein? Wenn aber die Nachricht stimmte, das Gift bereits seine Wirkung getan hatte - was blieb da für Bond noch zu tun?
Zu einem war er entschlossen: Irgendwie, in der Aufregung der entscheidenden Stunde, würde er sich an Goldfinger heranmachen und ihm die Gurgel durchschneiden. Aber würde das mehr bedeuten als einen persönlichen Racheakt? Würde jemand stark und besonnen genug sein, die Führung zu übernehmen? Mr. Solo? Wahrscheinlich. Das Unternehmen würde halb und halb gelingen, sie würden mit einer Menge Gold davonkommen - außer Goldfingers Leuten, die ohne ihn verloren waren. - Oder waren die sechzigtausend bereits tot? Hätte er, Bond, etwas tun können, das zu verhindern? Hatte es jemals eine Chance gegeben, Goldfinger umzubringen? Hätte er im Pennsylvania-Bahnhof eine Szene machen sollen? Bond starrte sein dunkles Spiegelbild im Fenster an, horchte auf das freundliche Klingeln an den Bahnübergängen und auf das Heulen des Signalhorns vorn und marterte seine Nerven mit Vorwürfen, Zweifeln und
Fragen.
7
Langsam dämmerte der Tag über der endlosen Ebene von Kentucky. Um sechs Uhr fing der Zug an, langsamer zu fahren, glitt durch die erwachenden Vororte von Louisville und kam mit einem Seufzen der hydraulischen Bremsen in dem hallenden, nahezu verlassenen Bahnhof zum Stehen.
Eine kleine, respektvolle Gruppe erwartete sie. Goldfinger, mit übernächtigten Augen, winkte einem der Deutschen, nahm eine schwarze, achtunggebietende Tasche und begab sich damit auf den Bahnsteig. Nach einer kurzen, ernsten Beratung, bei der der Fahrdienstleiter das Wort führte, wandte Goldfinger sich müde zum Zug zurück. Mr. Solo erwartete ihn an der hinteren Waggontür. Bond hörte Goldfingers besorgte Stimme: »Ich fürchte, Herr Doktor, die Lage ist so ernst, wie wir angenommen haben. Ich gehe jetzt mit dem da nach vorn< - er hielt die schwarze Tasche hoch - »auf die erste Diesellok, und wir fahren langsam in das verseuchte Gebiet ein. Wollen Sie bitte veranlassen, daß alles die
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