Goldfinger
Masken bereithält! Für den Lokführer und den Heizer hab’ ich sie mit. Das sonstige Bahnpersonal bleibt hier zurück.«
Mr. Solo nickte mit Würde. »Jawohl, Herr Professor.« Er schloß die Tür, und Goldfinger begab sich nach vorn. Seine Leibwächter und die respektvolle Gruppe folgten ihm.
Nach einer Weile rollte der Zug leise, fast ehrerbietig aus dem Bahnhof und ließ das kleine, jetzt um die vier verlegenen Schaffner vermehrte Empfangskomitee hinter sich.
Noch fünfzig Kilometer, eine halbe Stunde! Die Schwestern reichten Kaffee und Gebäck herum und hatten für jeden, der’s brauchte, zwei Dextrintabletten bereit. Sogar daran hatte Goldfinger gedacht! Es gab jetzt keine Scherze, keine Munterkeit mehr: Der Zug war mit Spannung geladen.
Nach zehn Minuten verlangsamte sich seine Fahrt, es gab einen zischenden Bremsruck, Kaffee wurde verschüttet, der Zug blieb fast stehen. Dann beschleunigte er plötzlich sein Tempo: Ein neuer Mann stand am Fahrschalter. Wenig später kam Mr. Strap durch den Waggon. »Noch zehn Minuten! Fertigmachen zum Aussteigen! Abteilungen A, B, C Ausrüstung anlegen! Alles geht nach Plan, nur mit der Ruhe. Denkt daran, was ihr zu tun habt!« Er ging rasch weiter, und Bond hörte ihn im nächsten Abteil das gleiche ausrufen.
Bond wandte sich an Fakto. »Hör zu, du Affe, ich geh’ jetzt auf die Toilette, und Miss Masterton wahrscheinlich auch.« Er wandte sich an das Mädchen: »Oder
nicht, Tilly?«
»Ja«, sagte sie gleichgültig, »’s wird gut sein.«
»Na gut, gehen Sie zuerst«, sagte Bond.
Der Koreaner neben ihr blickte fragend auf Fakto, der den Kopf schüttelte.
Bond sagte: »Wenn du sie nicht gehen läßt, dann gibt’s jetzt eine Schlägerei, und das mag Goldfinger nicht!« Er wandte sich an das Mädchen: »Gehen Sie nur, Tilly, ich kümmere mich um die Affen da!«
Fakto gab ein paar bellende Laute von sich, die der andere zu verstehen schien, denn er stand auf und sagte: »Okay, aber Tür nicht zusperren!« Er folgte dem Mädchen und wartete, bis sie herauskam.
Fakto verfuhr mit Bond ebenso. In der Toilette zog Bond seinen rechten Schuh aus, holte das Messer hervor und verbarg es unterm Hosenbund. Er wusch sich und betrachtete im Spiegel sein vor Spannung bleiches Gesicht. Dann trat er hinaus und begab sich wieder auf seinen Platz.
In der Ferne wurde ein Schimmer sichtbar, und bald stiegen undeutlich niedrige Gebäude aus dem Bodennebel der Frühe. Langsam erkannte man die Hangars und den gedrungenen Kontrollturm: Godman-Field! Das rhythmische Pochen des Zugs wurde langsamer. Ein paar schmucke, moderne Villen, die zu einer neuen Wohnanlage gehörten, glitten vorüber. Unbewohnt. Zur Linken lief jetzt das dunkle Band der Brandenburg Station Road. Bond reckte den Hals. Durch den leichten Nebel schimmerte sanft das moderne Stadtzentrum von Fort Knox. Die kristallklare Luft über seiner ausgezackten Silhouette war von keinem Rauchwölkchen getrübt. Der Zug fuhr immer langsamer. Auf der Bahnhofstraße hatte es einen schweren Autounfall gegeben, Frontalzusammenstoß. Aus einer zerbeulten Tür hing der Körper eines Mannes, der andere Wagen lag auf dem Dach wie ein toter Käfer. Bond bekam Herzklopfen. Jetzt glitt eine Bungalowreihe vorüber. Auf einer halbgemähten Rasenfläche lag reglos ein Mann. Die exakten Mähspuren liefen bis zu ihm, dann hatte die Maschine einen häßlichen Schnörkel gemacht und war nebenan auf die frisch umgestochene Erde gekippt. Es kam eine Wäscheleine, die abgerissen war, als die Frau nach ihr gegriffen hatte, die nun mit der herabgefallenen Wäsche einen weißen Haufen bildete. Und während der Zug im Schrittempo in die Stadt einfuhr, sah man in jeder Straße, auf jedem Gehsteig reglos hingestreckte Gestalten, einzeln und in Gruppen - in Schaukelstühlen vor der Tür; mitten auf den Kreuzungen, deren Verkehrsampeln weiter ihre Lichtsignale gaben; in Wagen, die noch an den Rand hatten fahren können, und in anderen, die in Schaufenstern steckten. Tod, nichts als Tod! Keine Bewegung, kein Laut außer dem eisernen Gelärm des in diesen Friedhof einfahrenden Mörders!
Jetzt entstand Bewegung in den Wagen. Billy Ring kam mit breitem Grinsen herein und blieb neben Bond stehen. »Du lieber Schwan!« sagte er entzückt. »Der gute Goldie hat denen vielleicht einen Cocktail verpaßt! Nur peinlich, daß es manche beim Fahren erwischt hat! Aber Sie wissen doch: kein Omelette ohne zerschlagene Eier, nicht?« Bond lächelte gezwungen: »Stimmt.«
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