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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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energisch vom Bügel. Er wand sich hinein, schloß seinen Kragenknopf und zog die Krawatte zurecht. Nun sah er schon eher wie ein Anwalt aus. »Übrigens, welcher ist Jack? Der älteste oder der jüngste?«
    »Der jüngste. Donovan ist der älteste. Er leitet die Firma. Bennet ist dazwischen. Ich würde ihn nicht ausschließen, falls du den Verdacht von Jack ablenken willst. Er hat sich am lautesten gegen Guys Anspruch auf einen Teil des Nachlasses gewehrt. Soll ich irgend etwas tun, bis du zurückkommst?«
    »Sag Christie, ich melde mich, sobald ich mit Jack gesprochen habe. Fahr in der Zwischenzeit zum Haus hinaus. Laß uns eine Liste der Personen zusammenstellen, die den Ablauf des Dienstag abend bestätigen können. Haben die Polizisten die Mordwaffe gefunden?«
    »Das müssen sie wohl. Ich weiß, daß sie das ganze Anwesen bis ins kleinste durchsucht haben, weil ich sie dabei gesehen habe. Und Christie sagt, daß sie alles mögliche mitgenommen hätten.«
    »Wenn ich mit Jack fertig bin, werde ich mal ein bißchen mit den Gesetzeshütern plaudern und versuchen zu ergründen, warum sie glauben, daß er es war. Es wäre schön, zumindest eine Vorstellung davon zu haben, wogegen wir angehen müssen.«
    »Bin ich offiziell engagiert?«
    Er sah auf die Uhr. »Zeit läuft.«
    »Das übliche Honorar?«
    »Klar. Es sei denn, du möchtest gratis arbeiten. Natürlich ist auch immer noch möglich, daß Jack mich nicht engagiert.«
    »Sei nicht albern. Der Mann ist verzweifelt«, sagte ich. Ich bemerkte Lonnies Blick und korrigierte meine Äußerung. »Ach, du weißt schon, was ich meine. Er engagiert dich nicht deshalb, weil er verzweifelt ist —«
    »Raus hier«, sagte Lonnie grinsend.
    Mit der Aktentasche in der Hand marschierte ich zum öffentlichen Parkplatz zurück, wo ich mein Auto holte. Meine Einstellung zu Jack Malek hatte sich bereits gewandelt. Ob Jack nun schuldig oder unschuldig war, Lonnie würde jeden Fetzen entlastenden Materials aufspüren und zum Aufbau seiner Verteidigung Tricks, Manöver und Strategien entwickeln. Ich war kein besonderer Fan von Jack, aber wenn ich für Lonnie Kingman arbeitete, bliebe ich wenigstens am Ball.

    Als ich auf das Maleksche Anwesen zufuhr, sah ich mit Erleichterung, daß die Straße davor praktisch leer war. Das Bankett war von Reifenspuren aufgewühlt, die Erde mit Zigarettenstummeln, leeren Bechern, zerknüllten Papierservietten und Fast-Food-Behältern übersät. Die Fläche vor dem Tor sah verlassen aus, als hätte ein Wanderzirkus zusammengepackt und sich im Morgengrauen davongemacht. Die Presseleute waren auch verschwunden, weil sie dem Streifenwagen gefolgt waren, mit dem Jack ins Bezirksgefängnis gebracht worden war. Für Jack bedeutete das den Beginn eines Verfahrens, im Verlauf dessen er fotografiert, durchsucht, registriert, in eine Zelle gesperrt und ihm die Fingerabdrücke abgenommen werden würden. Ich hatte die Prozedur selbst vor etwa einem Jahr mitgemacht, und das Gefühl, verseucht worden zu sein, war noch immer präsent. Das Gefängnisgebäude ist sauber und frisch gestrichen, hat aber trotzdem Anstaltscharakter: nüchternes Linoleum und karges Mobiliar, dafür gebaut, massiver Beanspruchung standzuhalten. Bei meinem Zusammenstoß mit der Polizei waren die Gefängniswärterinnen höflich, freundlich und sachlich gewesen, aber ich hatte mich durch jede Einzelheit des Vorgangs erniedrigt gefühlt, von der Abgabe meiner persönlichen Habe bis hin zum Arrest in der Ausnüchterungszelle. Ich kann mich noch an den moschusartigen Geruch erinnern, der in der Luft hing und sich mit dem abgenutzter Matratzen, ungewaschener Achselhöhlen und Bourbonausdünstungen vermischte. Soweit ich wußte, war Jack noch nie festgenommen worden, und ich vermutete, daß er sich ebenso demoralisiert fühlen würde wie ich damals.
    Als ich meinen VW aufs Tor zulenkte, trat ein privater Wachmann hervor und forderte mich auf, mich auszuweisen. Dann winkte er mich durch, und ich fuhr die Einfahrt hinauf bis zu dem gepflasterten Vorplatz. Das Haus war von Sonnenlicht überflutet, und auf der Erde tanzten schattige Flecken. Die alten, ausladenden Eichen reckten ihre Äste in alle Richtungen — wie mit Aquarellfarben gemalt, dachte ich bei mir. Grün- und Grauschattierungen schienen nahtlos ineinander überzugehen, während immer wieder ein einzelner Baum in scharfem Kontrast hervorstach. Ich sah zwei Gärtner bei der Arbeit, einen mit einem Laubblasgerät und den anderen mit einem

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