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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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bißchen Albernheit in meinem Leben gebrauchen, und Du auch.
    Überleg’s Dir und sag mir Bescheid, damit ich meine Clearasil-Vorräte auf stocken kann.

    Guy Malek

    P.S. Nur fürs Protokoll: Wenn mir irgendwas passieren sollte, sorg bitte dafür, daß mein Anteil von Dads Nachlaß an die Jubilee Evangelical Church geht. Ich habe diese Leute wirklich gern.

    Als ich fertig gelesen hatte, standen mir Tränen in den Augen. Der Brief war wie eine Nachricht von den Toten. Ich starrte auf die andere Straßenseite und blinzelte hektisch. Ich spürte einen bohrenden Schmerz im Brustkorb, und mein Gesicht wurde urplötzlich von Hitze durchflutet. Mit dem Kummer kam ein Aufwallen nackter Wut. Ich sandte Guy meine Gedanken durch den Äther. Ich werde herausfinden, wer dich umgebracht hat, und ich werde herausfinden, warum. Ich schwöre, ich werde es tun. Ich schwöre es.
    »Miss? Ihr Auto ist fertig.«
    Ich holte tief Luft. »Danke. Es sieht prima aus.« Ich gab dem Jungen zehn Dollar und fuhr mit bis zum Anschlag aufgedrehtem Radio davon.
    Als ich nach Hause kam, sah ich Robert Dietz’ kleinen roten Porsche vor dem Gartentor stehen. Ich stellte meine Aktentasche auf den Bürgersteig, während ich am Straßenrand stehenblieb, den Wagen musterte und es kaum zu glauben wagte. Er hatte mir erzählt, er werde zwei Wochen weg sein. Nun war es noch nicht einmal eine. Ich umrundete das Auto und sah mir das Nummernschild an, auf dem DIETZ stand. Dann nahm ich meine Aktentasche und ging durchs Gartentor. Ich bog um die Ecke und sperrte meine Tür auf. Dietz’ Koffer lag neben der Couch. Sein Kleidersack hing an der Badezimmertür.
    »Dietz?« sagte ich.
    Keine Reaktion.
    Ich ließ Handtasche und Aktentasche auf dem Küchentresen stehen und ging über den Innenhof zu Henry hinüber, wo ich zum Küchenfenster hineinspähte. Dietz saß auf Henrys Schaukelstuhl und hatte das Hosenbein hochgezogen, um sein verletztes Knie vorzuzeigen. Die Schwellung war deutlich zurückgegangen, und aus den zahlreichen Gesten, die er vollführte, konnte man schließen, daß er sich die Flüssigkeit hatte absaugen lassen. Schon seine pantomimische Darstellung des Vorgangs, wie ihm eine Injektionsnadel ins Fleisch gestochen wurde, ließ meine Handflächen feucht werden. Zuerst sah er mich gar nicht. Es war wie in einem Stummfilm, die beiden Männer in ihre Unterhaltung über medizinische Angelegenheiten vertieft zu sehen. Henry mit seinen fünfundachtzig war mir so vertraut — gutaussehend, weichherzig und intelligent. Dietz war robuster gebaut — kräftig, hart, eigensinnig, impulsiv und genauso klug wie Henry, aber eher gerissen als intellektuell. Ich mußte über die beiden lächeln. Wo Henry sanft war, war Dietz rastlos und ruppig, ohne jede Verstellung. Ich schätzte seine Aufrichtigkeit, mißtraute seiner Anteilnahme, ärgerte mich über seine Herumtreiberei und sehnte mich nach Klarheit in unserer Beziehung. Inmitten all der Bedrücktheit, die ich empfand, wirkte Dietz befreiend.
    Er sah auf, als er mich bemerkte. Grüßend hob er eine Hand, ohne sich vom Stuhl zu erheben.
    Henry kam an die Tür und ließ mich ein. Dietz zog sein Hosenbein wieder herunter, wobei er mir mit einer kurzen Nebenbemerkung von einer Tagesklinik in Santa Cruz erzählte. Henry bot Kaffee an, doch Dietz lehnte ab. Heute weiß ich nicht einmal mehr, worüber wir drei uns unterhielten. Während des belanglosen Geplauders legte mir Dietz eine Hand auf den Ellbogen und löste damit in mir eine Hitzewallung aus. Aus dem Augenwinkel fing ich seinen fragenden Blick auf. Was immer ich auch empfunden habe, muß über unsichtbare Kanäle zu ihm durchgedrungen sein. Ich muß gesurrt haben wie eine Hochspannungsleitung, da selbst Henrys lockere Konversation irgendwie ins Stocken kam. Dietz warf einen Blick auf die Uhr und stieß einen Laut des Erstaunens aus, so als hätte er sich für eine Verabredung verspätet. Rasch verabschiedeten wir uns und gingen, ohne ein Wort miteinander zu wechseln, durch Henrys Hintertür hinaus und zu meiner Wohnung hinüber.
    Die Tür schloß sich hinter uns. In der Wohnung war es kühl. Bleiches Sonnenlicht drang in einer Reihe horizontaler Linien durch die geschlossenen Jalousien. Der Raum war so eingerichtet, daß man sich wie auf einem Segelboot fühlte: kompakt und einfach, mit Stühlen aus königsblauem Segeltuch und einer Wandtäfelung aus glänzendem Teak und Eichenholz. Dietz klappte das Bett in der Fensternische auf und schlüpfte aus den

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