Goldgrube
sagte er. »Außerdem hast du vermutlich eine Menge zu tun.«
»Oh, massenhaft«, erwiderte ich. »Fährst du nach Santa Cruz hinauf?«
»Letztendlich schon. Ich fahre die Küste hoch und bleibe vielleicht noch einen Tag in Cambria. Mit meinem Knie muß ich die Fahrt sowieso unterbrechen. Du weißt schon, jede Stunde oder so aussteigen und strecken. Es warm halten und nicht verkrampfen. Sonst wird es steif.«
»Wann fährst du los?«
»Wenn du zur Arbeit gehst.«
»Tja, wunderbar. Ich dusche nur kurz, und dann kannst du dich auf den Weg machen.«
»Laß dir Zeit. Ich hab’s nicht eilig«, sagte er.
»Das sehe ich«, bemerkte ich und ging wieder nach oben. Diesmal fragte er mich nicht, ob ich sauer sei. Das war gut, denn in Wirklichkeit kochte ich vor Wut. Unter der Wut lag der altvertraute Schmerz. Warum muß mich immer jeder verlassen? Was habe ich ihnen getan? Ich erledigte meine morgendlichen Verrichtungen so rasch wie möglich, warf mich in die Klamotten und aß meine Corn-flakes, ohne mir die Zeit zum Zeitunglesen zu nehmen. Um meine Gleichgültigkeit angesichts seiner überstürzten Abreise zu demonstrieren, holte ich frische Bettwäsche heraus und bat ihn, mir beim Beziehen des Bettzeugs für das Schlafsofa zu helfen. Ich hoffte, dies würde darauf hinweisen, daß ein anderer Anwärter auf einen Schlafplatz schon vor der Tür stand. Keiner von uns redete viel, und was wir sagten, war auf unsere Tätigkeit bezogen. »Wo ist der andere Kissenbezug?« So ungefähr.
Nachdem das Sofa frisch bezogen war, brachte er seinen Koffer zum Wagen und kam zurück, um den Kleidersack zu holen. Ich brachte ihn zur Straße hinaus, und wir tauschten einen dieser unaufrichtigen Küsse mit dazugehörigen Geräuscheffekten aus. Mmtsch ! Er ließ seinen Porsche an, und ich winkte brav, als er die Straße entlangröhrte. Du kleiner Scheißer, dachte ich.
Ich ging ins Büro und ignorierte die leise Neigung, grundlos aus der Haut zu fahren. Der Tag klaffte vor mir wie ein Kanalloch in der Straße. Es war genau dasselbe Gefühl wie letztes Mal, als er gegangen war. Wie kann ausgerechnet mir so etwas passieren, wo ich doch so couragiert und unabhängig bin? Ich legte ein paar Patiencen, bezahlte einige Rechnungen und kontrollierte mein Scheckheft. Mein Magen machte sich unangenehm bemerkbar. Als schließlich kurz vor dem Mittagessen das Telefon klingelte, riß ich den Hörer von der Gabel, unangemessen dankbar für die Ablenkung.
»Kinsey, hier ist Donovan. Wie geht’s?«
»Ach, bestens. Und Ihnen?«
»Geht so. Äh, hören Sie, wir haben Ihre Nachricht erhalten und würden uns gern für die gute Arbeit bedanken. Tasha mußte heute morgen nach San Francisco fliegen, aber sie sagte, Sie hätten bestimmt nichts dagegen, uns aus erster Hand zu informieren. Könnten Sie heute am späten Nachmittag auf einen Drink zu uns rauskommen?«
»Ja, sicher. Kann ich machen. Ich wollte gerade einen Bericht tippen und Ihnen mit der Post zuschicken, aber ich kann Ihnen auch persönlich Auskunft geben, wenn Ihnen das lieber ist.«
»Das würde mich freuen. Ich nehme an, Jack und Bennet werden auch dabeisein wollen. Falls die beiden irgendwelche Fragen haben, können Sie uns alle zugleich aufklären und sich Wiederholungen ersparen. Paßt Ihnen halb sechs?«
»Ist mir recht«, sagte ich.
»Gut. Wir freuen uns auf Ihren Besuch.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, merkte ich, wie ich die Achseln zuckte. Ich hatte nichts gegen einen formlosen Bericht einzuwenden, solange ich nicht irgendwie in das Familiendrama hineingezogen wurde. Guy ausgenommen, war ich nicht direkt begeistert von den Malek-Brüdern. Ich glaubte wirklich, daß Guy seine üblen Verhaltensweisen abgelegt hatte, und so konnte ich ihm vielleicht einen Gefallen tun, indem ich die anderen auch davon überzeugte. Nicht daß es mich etwas anging, wie das Geld verteilt wurde, aber falls es irgendwelche bohrenden Fragen über seine »Würdigkeit« geben würde, hätte ich auf jeden Fall eine Meinung. Und außerdem hatte ich, nachdem Dietz jetzt weg war, ohnehin nichts Besseres zu tun.
Ich ließ das Mittagessen ausfallen und verbrachte den Nachmittag damit, mein Büro zu putzen. Lonnie Kingman hatte zwar eine Putzkolonne, die die Räumlichkeiten allwöchentlich am Freitag nachmittag säuberte, aber ich empfand es als heilsam, mich ans Werk zu machen und zu schrubben. Ich verbrachte sogar zwanzig Minuten damit, den künstlichen Ficus abzustauben, den schon mal jemand für echt gehalten
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