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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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mußt du schon früh deine Eitelkeit aufgeben. Wir tragen alle Windeln. Gut, ich nicht, aber ich bin ja auch das Nesthäkchen der Familie. Die anderen machen sich jedesmal naß, wenn sie husten oder zu heftig lachen.
    Nell sagt, William fehlt ihr unter anderem deshalb so sehr, seit er hierhergezogen ist, weil sie jetzt nicht mehr so wie früher Bridge spielen können. Jetzt müssen sie zu dritt spielen, und das macht nicht soviel Spaß. Lewis hat schon überlegt, eine Cousine zu fragen, ob sie bei ihnen einziehen will, aber Nell duldet keine andere Frau im Haus. Sie sagt, sie hat ihre Brüder jetzt achtzig Jahre lang für sich gehabt, und sie will daran nichts ändern. Nell sagt, wenn sie >von uns gegangen< ist, können sie machen, was sie wollen, je nachdem, wer noch übrig ist.«
    »Unfaßbar, daß sie immer noch bereit sind, die Winter in Michigan über sich ergehen zu lassen. Warum ziehen sie denn nicht alle hierher? Da könntet ihr soviel Bridge spielen, wie ihr wollt.«
    »Es ist im Gespräch. Wir müssen mal sehen. Nell hat ihre Mittagessen mit der Damengruppe, und die möchte sie nur äußerst ungern aufgeben.« Henry legte das Foto hin und setzte sich wieder. »Und wie geht’s dir? Ich habe mich nett mit deinem Freund Dietz unterhalten. Er hat gesagt, du hättest einen neuen Auftrag.«
    »Eigentlich bin ich schon wieder fertig. Eine dieser schnellen Sachen, an die man gern zurückdenkt, wenn die harten Nüsse kommen«, sagte ich. Ich erzählte ihm ein paar Minuten lang von meiner Suche nach Guy Malek.
    Henry schüttelte den Kopf. »Und was passiert jetzt? Glaubst du, daß er seinen Anteil am Nachlaß bekommt?«
    »Wer weiß? Ich erfahre nicht immer, wie es ausgeht. Aber Tasha glaubt, sie werden sich einigen können.«
    »Wie lange bleibt Dietz hier? Ich dachte, ich könnte euch beide mal zum Abendessen zu mir einladen.«
    »Wahrscheinlich nicht lang. Er ist auf dem Weg nach Santa Cruz, um seine Söhne zu besuchen«, sagte ich.
    »Laß mich wissen, ob er am Samstag noch da ist, dann koche ich etwas Feines. Wir laden William und Rosie und Moza Lowenstein ein, wenn sie Zeit hat.«
    Als ich in meine Wohnung kam, war Dietz bereits in der Unterwäsche eingeschlafen, auf dem Stuhl zusammengesunken und leise schnarchend. Im Fernsehen lief mit gedämpfter Lautstärke ein Naturfilm über Unterwasserattacken von Haien. Dietz hatte sein Bein auf die Kante des Bettsofas hochgelegt und sich eine Decke bis über Brust und Schultern gezogen. Der teilweise geschmolzene Eisbeutel war zu Boden gefallen. Ich legte ihn ins Kühlfach und holte einen anderen heraus, den ich behutsam auf sein Knie legte, ohne ihn zu wecken. Seine Kniescheibe war geschwollen, und die nackte Haut sah bleich und verletzlich aus. Ich ließ ihn, wie er war, da ich wußte, daß er lange vor dem Morgen aufwachen würde. Er schläft stets phasenweise und schreckt immer wieder auf wie ein wildes Tier, und ich wußte aus der Vergangenheit, daß er es selten schafft, eine Nacht durchzuhalten, ohne mindestens zweimal aufzustehen.
    Ich streifte meine Schuhe ab und ging die Wendeltreppe hinauf. Von oben blickte ich auf ihn herab. Sein zerfurchtes Gesicht sah im Schlaf fremd aus, als wäre es aus Ton modelliert. Ich sah ihn selten entspannt. Er war von Natur aus ruhelos, ständig in Bewegung, seine Gesichtszüge beseelt von der puren Kraft seiner nervösen Energie. Noch während ich ihn musterte, regte er sich und wachte auf, wobei er mit einem verwirrten Blick hochfuhr. Ich sah, wie er zusammenzuckte, nach dem Eisbeutel griff und ihn wieder auf seinem aufgedunsenen Gelenk plazierte. Ich trat vom Treppengeländer weg und ging ins Badezimmer, wo ich mir das Gesicht wusch und die Zähne putzte. Es war zweifellos die Nähe zu dem vielen Testosteron, daß ich ein Prickeln verspürte. Von einem Haken an der Badezimmertür schnappte ich mir ein überdimensionales T-Shirt. Normalerweise schlafe ich nackt, aber das schien mir keine gute Idee zu sein.
    Als ich bettfertig war, drehte ich das Licht aus und schlüpfte unter die Steppdecke. Ich streckte den Arm aus und stellte meinen Wecker, während ich zusah, wie seine digitale Anzeige von 23.04 auf 23.05 Uhr sprang. Ich hörte Dietz aufstehen und in die Küche gehen. Die Kühlschranktür ging auf und wieder zu. Er holte sich ein Glas und schenkte sich etwas ein — Wein, Orangensaft oder Milch, auf jeden Fall etwas Flüssiges. Ich hörte, wie er einen Küchenhocker hervorzog und dann das Rascheln einer Zeitung. Ich fragte

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