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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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hatte. Das Zimmer, das ich gemietet hatte, war ursprünglich ein Besprechungszimmer gewesen, und so gehörte ein komplettes »Chef«-Badezimmer dazu. Ich holte mir einen Plastikeimer, Schwämme, Putzmittel, eine Klobürste und einen Schrubber und amüsierte mich königlich dabei, imaginäre Bazillen abzutöten. Meine Methode, mit Depressionen fertig zu werden, besteht darin, mir Beschäftigungen aufzuhalsen, die so lästig und widerlich sind, daß die Wirklichkeit vergleichsweise freundlich ist. Gegen drei Uhr roch ich nach Schweiß und Haushaltsbleiche und hatte vergessen, weshalb ich so unglücklich war. Na ja, ehrlich gesagt, wußte ich es schon noch, aber es war mir scheißegal.
    Nachdem ich mein Büro keimfrei gemacht hatte, schloß ich die Tür ab, zog die Klamotten aus, hüpfte in die Chefdusche und schrubbte mich ab. Ich schlüpfte wieder in diesselbe Jeans, zog aber einen frischen Rollkragenpullover an, den ich aus dem Fundus für plötzlich erforderliche Reisen holte. Was wäre das Leben ohne Zahnbürste und eine frische Unterhose? Ich tippte die offizielle Version von meiner Begegnung mit Guy Malek, legte ein Exemplar in meine Akten und steckte das andere in meine Handtasche. Das dritte schob ich in einen Umschlag, der an Tasha Howards Büro in San Francisco adressiert war. Ende. Finito. Erledigt, erledigt, erledigt. Das war der letzte Auftrag, den ich je von ihr annehmen würde.
    Um fünf vor halb sechs passierte ich, gehüllt in meinen besten (und einzigen) Tweed-Blazer, das Tor zum Anwesen der Maleks. Mittlerweile war es fast dunkel geworden; die Tage zeichneten sich nach wie vor durch eine frühe Dämmerung aus. Meine Scheinwerfer glitten in einem verirrten Bogen über die verputzte Mauer, die das sechs Hektar große Grundstück umgab. Über den oberen Rand der Mauer hatte man vor Jahren drei Reihen Stacheldraht gespannt, der inzwischen verrostet und an manchen Stellen gerissen war und ausgesprochen nutzlos wirkte. Wer weiß, mit was für Eindringlingen man damals gerechnet hatte? Ein kühler Wind war aufgekommen, und die verdunkelten Baumkronen schwankten und bebten und flüsterten miteinander über Unsichtbares. Im Haus brannten Lichter, zwei Fenster im Obergeschoß schimmerten in blassem Gelb, während der größte Teil des Erdgeschosses dunkel war.
    Die Haushälterin hatte es versäumt, die Außenbeleuchtung einzuschalten. Ich parkte auf der Wendefläche und bahnte mir den Weg über den Vorplatz mit seinem Kopfsteinpflaster hin zu dem düsteren Portikus, der den Vordereingang überdachte. Ich klingelte und wartete, während ich gegen die Kälte die Arme verschränkte. Endlich ging das Außenlicht an, und Myrna öffnete die Tür einen Spalt weit.
    »Hallo, Myrna. Kinsey Millhone. Ich war neulich schon mal hier. Donovan hat mich auf einen Drink eingeladen.«
    Myrna brach angesichts dieser Mitteilung nicht gerade in einen Freudentaumel aus. Offenbar wurde den Teilnehmerinnen der Fortgeschrittenenkurse an der Haushälterinnenschule beigebracht, plötzlichen Begeisterungsstürmen keinesfalls Ausdruck zu verleihen. In den zwei Tagen, seit ich Myrna zuletzt gesehen hatte, hatte sie ihr Haar nachgefärbt, so daß es nun in einem eisigen Weißblond erstrahlte. Ihre Tracht bestand aus einem grauen Oberteil und dazu passenden grauen Hosen. Ich hätte darauf gewettet, daß der Bund unter dem Kittel aufgeknöpft war. »Hier entlang«, sagte sie. Ihre Kreppsohlen quietschten leise auf dem gebohnerten Parkettfußboden.
    Von irgendwo über uns rief eine Frau herab: »Myrna? War das die Haustür? Wir erwarten Besuch.« Ich sah nach oben, dem Klang ihrer Stimme folgend. Eine Brünette Ende Dreißig lehnte am Treppengeländer über unseren Köpfen. Als sie mich entdeckte, hellte sich ihre Miene auf: »Oh, hallo. Sie müssen Kinsey sein. Möchten Sie heraufkommen?«
    Myrna drehte ab, ohne noch ein Wort zu verlieren, und verschwand im hinteren Teil des Hauses, während ich die Treppe hinaufstieg.
    Christie streckte mir die Hand entgegen, als ich am oberen Treppenabsatz angekommen war. »Ich bin Christie Malek. Schön, Sie zu sehen«, sagte sie, als wir uns die Hände schüttelten. »Myrna haben Sie ja schon kennengelernt.«
    »Mehr oder weniger«, antwortete ich. Ich musterte sie auf einen Blick, wie bei einem Polaroidfoto. Sie hatte ein feingeschnittenes Gesicht und glänzendes, dunkelbraunes Haar, das sie schulterlang trug. Sie war sehr schlank und steckte in Jeans und einem wuchtigen schwarzen Wollpullover, der ihr

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