Goldgrube
des unbeherrschten Ausbruchs, hastige Erklärungen, unter welcher Anspannung sie alle durch Baders Tod stünden. In meinen Augen waren sie ein Haufen von Rüpeln mit schlechten Manieren, und wenn meine Rechnung bereits bezahlt gewesen wäre, hätte ich ihnen das auch gesagt. So jedoch versicherten sie mir, daß es nicht böse gemeint gewesen sei, und ich versicherte ihnen, daß ich es nicht übelgenommen hätte. Ich kann so gut wie jeder andere schwindeln, wenn Geld auf dem Spiel steht. Ich schüttelte allen die Hände. Dann dankten sie mir dafür, daß ich mir die Zeit genommen hatte. Ich dankte ihnen für den Wein und verabschiedete mich.
»Ich bringe Sie hinaus«, sagte Christie.
Einen Augenblick lang herrschte Stille, während wir das Wohnzimmer verließen. Mir war nicht bewußt gewesen, daß ich den Atem angehalten hatte, bis sich die Tür hinter uns geschlossen hatte und ich tief durchschnaufen konnte.
»Lassen Sie mich kurz eine Jacke holen«, sagte Christie, als wir die Halle durchquerten. Sie machte einen Umweg zum Kleiderschrank und schlüpfte in einen kurzen, dunklen Wollmantel, während wir in die Nachtluft hinausschritten.
Die Temperatur war gefallen, und aus den Pflastersteinen schien Feuchtigkeit aufzusteigen. Mittlerweile brannte die Außenbeleuchtung zwar, aber sie spendete nur wenig Helligkeit. Ich konnte die vagen Umrisse meines Autos auf der anderen Seite des Hofes erkennen, während wir darauf zugingen. Die erleuchteten Fenster der Vorderfront warfen stumpfe Rechtecke aus gelbem Licht auf die Einfahrt vor uns. Im Wohnzimmer waren die Malek-Brüder inzwischen höchstwahrscheinlich zu Handgreiflichkeiten übergegangen.
»Danke, daß Sie mich da losgeeist haben.«
»Tut mir leid, daß Sie das mit ansehen mußten. So ein Affenzirkus«, sagte sie. Sie schob die Hände in die Manteltaschen. »Andauernd geht das so, und es macht mich noch wahnsinnig. Es ist, als sei man umgeben von raufenden Vorschulkindern. Sie sind allesamt drei Jahre alt und prügeln immer noch wegen eines Spielzeugautos aufeinander ein. Die Spannung in diesem Haus ist unerträglich.«
»Bennets Alkoholkonsum macht es auch nicht besser.«
»Das ist es nicht allein. Zu Beginn meiner Ehe dachte ich, ich hätte in eine liebevolle Familie eingeheiratet. Ich hatte selbst keine Brüder, und anfangs fand ich die Vorstellung faszinierend. Zuerst schienen sie sich sehr nahe zu stehen. Also, auf jeden Fall haben sie mir das weisgemacht. Vermutlich hätte ich von selbst darauf kommen können, daß es nicht gerade von psychischer Gesundheit spricht, wenn drei erwachsene Männer immer noch gemeinsam unter Daddys Dach zusammenleben, aber was wußte ich schon? Meine Familie ist dermaßen durchgedreht, daß ich eine gesunde Familie nicht einmal dann erkenne, wenn sie mich anspringt und beißt. Ich wollte Kinder. So wie’s aussieht, hab ich sie schon«, bemerkte sie sarkastisch. »Es ist mir zuwider, herumzusitzen und zuzusehen, wie die >Jungs< sich zanken und sich dann wieder miteinander verschwören. Sie müßten die drei mal erleben. Sie streiten sich wegen absolut allem. Egal, worum es geht, sie nehmen auf der Stelle die gegensätzlichsten Standpunkte ein. Dann ergreifen sie plötzlich Partei und bilden vorübergehende Koalitionen. Am einen Tag sind es Donovan und Jack gegen Bennet. Am nächsten Tag verbünden sich Bennet und Jack gegen Donovan. Die Bündnisse unterscheiden sich je nach Thema, aber es gibt nie Einigkeit. Es herrscht keinerlei Gefühl im Sinne von >alle für einen, einer für alle<. Jeder will recht haben — moralisch überlegen sein — und zugleich fühlt sich jeder komplett mißverstanden.«
»Ich bin nur froh, daß ich Waise bin.«
» Da kann ich Ihnen zustimmen.« Sie hielt lächelnd inne. »Oder vielleicht bin ich nur verärgert, weil keiner von ihnen je auf meiner Seite steht. Ich lebe mit permanenten Bauchschmerzen.«
»Und Sie haben keine Kinder?«
»Noch nicht. Ich versuche es immer wieder, aber irgendwie werde ich in dieser Atmosphäre nicht schwanger. Ich gehe langsam auf die Vierzig zu, und wenn nicht bald etwas passiert, ist es zu spät.«
»Aber heutzutage bekommen Frauen doch häufig ihre Babys erst später.«
»Ich nicht. Vergessen Sie’s. Das Leben ist ohnehin hart genug. Ich meine, welches Kind würde schon freiwillig in ein solches Haus kommen? Es ist ja widerlich.«
»Und warum bleiben Sie?«
»Wer sagt denn, daß ich bleibe? Letzten Herbst habe ich zu Donovan gesagt: >Noch eine Runde,
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