Goldgrube
um seine Erbschaft öffentlich bekannt wurde, müßten sich seine Brüder schon verflucht anstrengen, wenn sie ihn darum betrügen wollten. Das Problem bei dieser Überlegung war, daß Guy nie viel Interesse an Geld gezeigt hatte, und es schien ihm auch weiß Gott nicht viel daran zu liegen, seinen Anteil in Sicherheit zu bringen. Konnte er so hinterlistig und verschlagen sein, wie seine Familie behauptete?
Ich schnappte mir Jacke und Handtasche und verließ erneut das Haus. Auf dem kurzen Fußweg zu meinem Wagen, der einen halben Häuserblock weiter weg geparkt war, versuchte ich, die Unruhe abzuschütteln. Es gab keine Möglichkeit, wie ich die Maleks von meiner Unschuld überzeugen konnte. Des Vertrauensbruchs bezichtigt, merkte ich, wie ich mich zu rechtfertigen versuchte, als hätte ich mich tatsächlich einer Verletzung des mir von der Familie entgegengebrachten Vertrauens schuldig gemacht. Der arme Guy. Nachdem ich es abgestritten hatte, würden sie jetzt vermutlich über ihn herfallen.
In der Innenstadt angekommen, hatte ich mich bereits durch die Frage abgelenkt, ob ich in einem zumutbaren Radius um Lonnie Kingmans Bürogebäude einen Parkplatz finden würde. Ich versuchte es mit dem spiralförmigen Ansatz, wie bei der Untersuchung eines Tatorts, indem ich am innersten Punkt anfing und mich nach außen vorarbeitete. Wenn sich nichts auftat, konnte ich immer noch den öffentlichen Parkplatz ansteuern, der drei Häuserblocks entfernt lag.
Als ich das zweite Mal die Runde machte, sah ich einen Lieferwagen an dem mit roter Farbe markierten Stück Bordstein vor dem Gebäude anhalten, wo Parkverbot herrschte. Die Tür auf der Beifahrerseite glitt auf, und ein Typ mit einer Videokamera schwang sich auf den Bürgersteig hinaus. Die schlanke Blondine, die die Sechsuhrnachrichten moderiert, hüpfte vom Vordersitz und studierte die Hausnummern an dem Gebäude, indem sie sie mit einer Adresse auf ihrem Notizblock verglich. Da ich von hinten kam, konnte ich das Logo auf der Seite des Lieferwagens nicht lesen, aber er hatte eine Antenne auf dem Dach, die massiv genug aussah, um Nachrichten aus dem Weltall zu empfangen. O Scheiße! Im Vorüberfahren konnte ich ablesen, daß KEST-TV auf der Seite stand. Ich unterdrückte den Drang, aufs Gaspedal zu treten, als die Frau einen Blick in meine Richtung warf. Ich spähte nach links und drehte mich zu dem Gebäude auf der anderen Straßenseite um. Fröhlich winkte ich jemandem zu, der aus der Dean-Witter-Filiale kam. Vielleicht würden mich die Medienleute für eine Wirtschaftsmagnatin auf Reisen halten, die Geld investieren wollte. Ich fuhr weiter und hielt dabei den Blick fest auf den Rückspiegel gerichtet, während der Kameramann und seine Begleiterin das Haus betraten.
Was nun? Die Vorstellung, mich wie ein Gesetzloser in den Büschen zu verstecken, behagte mir nicht. Vielleicht war ich paranoid, und das Team wollte über etwas ganz anderes berichten. Ich fuhr ein paar Häuserblocks weit, bis ich an einer Ecke eine Telefonzelle entdeckte. Ich ließ mein Auto am Bordstein stehen, warf einen Vierteldollar in den Schlitz und wählte Lon-nies Privatnummer. Er muß im Gericht gewesen sein, da Ida Ruth abnahm und dachte, er sei es. »Ja, Sir?«
»Ida Ruth, hier ist Kinsey. Ist ein Fernsehteam gekommen und hat nach mir gefragt?«
»Ich glaube nicht, aber ich sitze hier hinten an meinem Schreibtisch. Laß mich mal vorn bei Alison nachfragen.« Sie warf mich kurz aus der Leitung und meldete sich dann gleich wieder. »Ich muß mich korrigieren. Sie warten am Empfang auf dich. Was ist denn los?«
»Es ist zu kompliziert, um es zu erklären. Kannst du sie abwimmeln?«
»Tja, wir können sie hier rauswerfen, aber wir haben keinerlei Möglichkeit, sie daran zu hindern, draußen auf der Straße zu warten. Was hast du denn angestellt, wenn die kühne Frage erlaubt ist?«
»Nichts, ich schwöre es. Ich bin vollkommen unschuldig.«
»Schön, Herzchen. Gut für dich. Bleib dabei«, sagte sie.
»Ida Ruth, das ist mein Ernst. Folgendes ist passiert«, begann ich. Ich erzählte ihr kurz von den Ereignissen und hörte, wie sie daraufhin mit der Zunge schnalzte. »O weh, o weh. An deiner Stelle würde ich lieber nicht auftauchen. Sie können nicht lang bleiben. Wenn du mir sagst, wie ich dich erreichen kann, rufe ich dich an, sobald sie weg sind.«
»Ich weiß nicht, wo ich dann bin. Ich melde mich wieder.« Ich legte auf und musterte die gegenüberliegende Straßenseite. An der Ecke
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