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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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zu, als wir die Wiese überquerten.
    »Wie fühlen Sie sich? Sie wirken gelassen«, sagte ich.
    »Ich bin froh, daß wir endlich alle da sind. Sie wissen ja, wie es ist. Phantasien sind immer ganz anders als die Wirklichkeit.«
    »Womit rechnen Sie denn?«
    Er lächelte kurz. »Ich habe keine Ahnung.«
    »Tja, egal was es ist, ich hoffe, Sie bekommen, was Sie brauchen.«
    »Das hoffe ich auch, aber was spielt das auf lange Sicht schon für eine Rolle? Vor Gott kann man sich nicht verbergen, und genau darum geht es«, sagte er. »Eine lange Zeit bin ich den falschen Weg gegangen, aber jetzt habe ich aus eigenem Antrieb kehrtgemacht und gehe in die andere Richtung zurück. Irgendwann werde ich meiner Vergangenheit begegnen und Frieden schließen.«
    Mittlerweile waren wir wieder an der Vorderseite des Hauses angelangt. »Jetzt muß ich aber los«, sagte ich. »Lassen Sie mich wissen, wie es läuft.«
    »Es wird schon werden.«
    »Zweifellos, aber ich bin neugierig.«
    Als ich in mein Auto stieg und den Schlüssel ins Zündschloß steckte, sah ich ihm nach, wie er mit seinem Rucksack auf die Haustür zuging. Ich winkte im Vorbeifahren und beobachtete ihn dann im Rückspiegel, während ich die Einfahrt hinabfuhr. Nachdem ich um die Kurve gebogen war, verschwand er aus meinem Blickfeld. Es tut weh, rückblickend daran zu denken. Guy Malek war dem Verhängnis geweiht, und ich hatte ihn dem Feind in die Hände getrieben. Als ich durchs Tor fuhr, kam mir ein Auto entgegen. Bennet saß am Steuer. Ich lächelte höflich und winkte ihm zu. Er starrte mich kurz an und wandte dann den Blick ab.

11

    Am Montag morgen um zehn Uhr erhielt ich einen Anruf, der mir eine Warnung hätte sein sollen. Rückblickend erkenne ich, daß sich die Probleme von diesem Moment an mit beunruhigender Geschwindigkeit zu häufen begonnen hatten. Ich war spät aufgestanden und machte gerade das Gartentor hinter mir zu, als ich das gedämpfte Klingeln des Telefons aus meiner Wohnung dringen hörte. Rasch kehrte ich um, trabte den Weg entlang und eilte um die Ecke. Ich sperrte die Haustür auf und stieß sie hastig nach innen, während ich Jacke und Tasche beiseite warf. Beim vierten Klingeln nahm ich den Hörer ab, wobei ich fast eine falsche Verbindung oder jemand von der Marktforschung erwartete, nachdem ich mich schon derart beeilt hatte. »Hallo?«
    »Kinsey. Hier ist Donovan.«
    »Ach, hallo. Wie geht’s? Fluh! Entschuldigen Sie, daß ich so keuche. Ich war schon zur Tür draußen und mußte ans Telefon rennen.«
    Er war offenbar nicht zu heiterem Geplauder aufgelegt, sondern kam direkt zur Sache. »Haben Sie die Presse verständigt?«
    Darauf, daß er so etwas zur Sprache bringen würde, war ich weder in diesem Moment noch sonst irgendwann gefaßt. Ich merkte, wie sich über meinem Kopf ein undeutliches Fragezeichen zu bilden begann, während ich mir überlegte, wovon um alles in der Welt er wohl redete. »Natürlich nicht. Weswegen denn?«
    »Wir haben vor einer Stunde einen Anruf vom Dispatch bekommen. Irgend jemand hat einem Reporter von Guys Rückkehr erzählt.«
    »Tatsächlich? Das ist ja seltsam. Wozu denn?« Ich wußte, daß der Santa Teresa Dispatch gelegentlich darum rang, erwähnenswerte Themen für seinen Lokalteil zu finden, aber Guys Heimkehr kam mir nicht wie ein sagenhaftes Ereignis für die Nachrichten vor. Wen sollte das außer der Familie schon scheren?
    »Sie wollen es unter >menschliche Schicksale< bringen. Vom armen Schlucker zum Millionär. Sie kennen ja die Schiene. Ein kleiner Hilfsarbeiter aus Marcella, Kalifornien, stellt plötzlich fest, daß er Millionär ist, und kommt nach Hause, um abzukassieren. Das ist doch besser als ein Sechser im Lotto, wenn man sich Guys persönliche Geschichte ansieht, und das wissen Sie genau.«
    »Was soll das heißen, das weiß ich genau? Ich habe gegenüber der Presse kein Wort verlauten lassen. Das würde ich nie tun.«
    »Wer sonst wußte davon? Niemand aus der Familie würde eine solche Geschichte durchsickern lassen. Es ist eine heikle Angelegenheit. Publicity hat uns gerade noch gefehlt. Da mühen wir uns ab, irgendeine Art von Einigkeit unter uns herzustellen, und jetzt hört das Telefon nicht mehr auf zu läuten, seit der erste Anruf gekommen ist.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen. Wer hat denn angerufen?«
    »Wer hat nicht angerufen?« sagte er entnervt. »Zuerst einmal die Lokalzeitung und dann die L. A. Times. Ich schätze, einer dieser Radiosender hat auch Wind davon bekommen.

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