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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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»Einmal habe ich hier drin mit einem Mädchen Schluß gemacht. Das ist mir im Gedächtnis geblieben. Es war wie in einem Country Club. Schwimmen, Tennis, Softball, Krocket. Wir haben unsere Mädchen zum Schwimmen eingeladen, und am Schluß haben wir wie wild mit ihnen rumgemacht. Mädchen im Badeanzug sind nicht besonders schwer zu verführen. Jack war der absolute Champion. Er war geil wie ein Karnickel und ist jeder auf den Leib gerückt.«
    »Warum haben Sie mit dem Mädchen Schluß gemacht?«
    »Das weiß ich nicht mehr so genau. Ein seltener Moment der Tugend und Selbstaufopferung. Ich hatte sie zu gern. Ich war damals ein böser Junge, und sie war zu außergewöhnlich, um mit ihr herumzuvögeln wie mit den anderen. Oder vielleicht wäre merkwürdig ein passenderes Wort. Ein bißchen verrückt und zu sensibel. Ich wußte, daß sie zerbrechlich war, und ich wollte das Risiko nicht eingehen. Mir waren die wilden lieber. Keine Verantwortung, keine Reue, keine Grenzen.«
    »Wußten Ihre Eltern, was sich hier abspielte?«
    »Wer weiß. Keine Ahnung. Sie vertraten hinsichtlich moralischer Belehrung die These >Jungs sind eben Jungs<. Jedes Mädchen, das uns zu Willen war, bekam eben, was sie verdient hatte. Sie haben es nie explizit gesagt, aber das war ihre Einstellung. Meiner Mutter lag mehr daran, mit jedem auf gutem Fuß zu stehen. Setz einem Kind Grenzen, und du mußt mit Schwierigkeiten rechnen. Sie war für bedingungslose Liebe, was für sie gleichbedeutend war mit dem Fehlen jeglicher Verbote. Es war leichter, liberal zu sein, verstehen Sie? Es hing alles mit diesem Fühl-dich-gut-Schwachsinn aus den sechziger Jahren zusammen. Rückblickend sehe ich, wie angegriffen sie von ihrer Krankheit war. Sie wollte nicht der strenge, mißbilligende Elternteil sein. Sie muß gewußt haben, daß ihre Tage gezählt waren, obwohl sie länger überlebt hat als die meisten. Damals gab es zwar schon Chemotherapie und Bestrahlung, aber es war alles dermaßen überdosiert, daß es vermutlich mehr Leute umgebracht als geheilt hat. Sie hatten damals einfach nicht die Technik oder die ausgeklügelten Therapiemethoden. Heutzutage ist das anders, da hat man eine echte Überlebenschance. Für meine Mutter waren die letzten Lebensjahre die absolute Hölle.«
    »Für Sie muß es auch schwer gewesen sein.«
    »Die reine Qual«, sagte er. »Ich war das Kind, das sich am meisten mit ihr identifiziert hat. Fragen Sie mich nicht, warum, aber Donovan, Bennet und Jack waren mehr mit Dad verbunden, während ich der Liebling meiner Mutter war. Es machte mich rasend, sie dahinsiechen zu sehen. Sie wurde immer schwächer und hatte Schmerzen, es ging bergab, und ich wußte, daß es ihre letzte Reise war.«
    »Waren Sie bei ihr, als sie starb?«
    »Ja, war ich. Die anderen waren alle weg. Ich weiß gar nicht mehr, wo. Ich bin an diesem Tag vier Stunden bei ihr im Zimmer gesessen. Die meiste Zeit schlief sie. Sie war so mit Morphium vollgepumpt, daß sie kaum mehr bei sich war. Ich war erschöpft und sank mit dem Kopf aufs Bett. Irgendwann streckte sie den Arm aus und legte ihre Hand auf meinen Hals. Ich berührte ihre Finger, und sie war tot, einfach so. So still. Ich habe mich eine Stunde lang nicht gerührt.
    Ich blieb einfach am Bett sitzen, vorgebeugt, mit abgewandtem Kopf und das Gesicht in den Kissen vergraben. Ich dachte, wenn ich nicht hinsah, könnte sie vielleicht wieder zum Leben erwachen, als schwebte sie irgendwo in der Nähe und könnte in ihren Körper zurückkehren, solange niemand bemerkte, daß sie ihn verlassen hatte. Ich wollte ihr Vertrauen nicht enttäuschen.«
    »Was ist mit dem Mädchen passiert, mit dem Sie Schluß gemacht haben?«
    »Patty? Keine Ahnung. Ich habe ihr einmal geschrieben, aber nie eine Antwort erhalten. Ich habe oft an sie gedacht, aber wer weiß, wo sie jetzt ist oder was aus ihr geworden ist. Das könnte das Beste gewesen sein, was ich je getan habe, vor allem damals. Ich war wirklich ein Dreckskerl. Es fällt mir schwer, mich damit in Verbindung zu bringen. Es ist, als hätte das alles ein anderer getan.«
    »Aber jetzt sind Sie ein besserer Mensch.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich halte mich nicht für gut, aber wenigstens schaffe ich es manchmal, fast echt zu sein.«
    Wir ließen die Schwimmhalle hinter uns liegen und gelangten auf das sonnige Rasenstück, wo ich Jack seine Golfschläge hatte üben sehen. Wir befanden uns auf der Grünfläche unterhalb des Hauses, und die Schatten neigten sich auf uns

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