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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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draußen in Colgate. Außerdem übernehme ich Nachforschungen über Personen für deren zukünftige Arbeitgeber und spüre für mehrere Kleinbetriebe in der Umgegend Schuldnern nach. Gelegentlich erledige ich auch für einen Scheidungsanwalt hier in der Straße die routinemäßige Schnüffelarbeit. Selbst in einem Bundesstaat, in dem das Schuldprinzip nicht gilt, kommt es vor, daß Ehegatten Wertsachen verstecken oder verschweigen, wo sich gemeinsamer Besitz wie Autos, Boote oder Flugzeuge befindet oder wo sich minderjährige Kinder aufhalten. Es hat etwas Geruhsames, einen Vormittag damit zu verbringen, auf der Suche nach verwandtschaftlichen Beziehungen Heiratsurkunden und Totenscheine durchzugehen, oder einen Nachmittag damit, im Bezirksamt rechtskräftige Testamente, Eigentumsübertragungen sowie Steuer- oder Bauhandwerkerpfandrechte zu studieren.
    Manchmal kann ich kaum fassen, daß ich das Glück habe, in einer Branche zu arbeiten, in der ich dafür bezahlt werde, daß ich Dinge aufdecke, die andere Leute lieber unter Verschluß halten würden. Wenn man als Privatdetektiv Papieren hinterherjagt, muß man zwar keine schußsichere Weste tragen, aber die Ergebnisse können ebenso gefährlich sein wie eine Schießerei oder eine Verfolgungsjagd bei hoher Geschwindigkeit.
    An diesem Montag morgen bestand mein Auftrag darin, Behauptungen bezüglich des Budgets zu überprüfen, die in einem Firmenprospekt aufgestellt wurden. Einem hiesigen Geschäftsmann war vorgeschlagen worden, fünfzigtausend Dollar in ein Projekt zu investieren, das wie ein vielversprechendes Konzept zur Absatzförderung aussah. Innerhalb einer Stunde fand ich heraus, daß einer der beiden Teilhaber persönlichen Konkurs hatte anmelden müssen und gegen den anderen sechs Prozesse anhängig waren. Da ich schon dabei war, machte ich mich an eine vorläufige Suche nach Max Outhwaite, indem ich mit den Wählerlisten anfing und mich bis zum örtlichen Steuerregister durcharbeitete. Ich ging über die Straße zur Stadtbibliothek und versuchte es in der Abteilung für Nachschlagewerke. In der besagten Schreibweise standen überhaupt keine Outhwaites im regionalen Telefonbuch und auch nicht in den städtischen Büchern der letzten sechs Jahre. Das mußte meiner Erfahrung nach nichts Besonderes heißen. Es hieß lediglich, daß »Max Outhwaite« ein Pseudonym war, aber unter bestimmten Umständen konnte ich die Maskerade nachvollziehen. Wenn jemand die Aufmerksamkeit der Lokalzeitung auf eine bestimmte Angelegenheit lenken wollte, war es verständlich, daß er einen falschen Namen und eine erfundene Adresse angab. Vielleicht war es ein Prominenter, der nur höchst ungern mit dem fraglichen Thema in Verbindung gebracht werden wollte. Vielleicht war es auch ein Familienmitglied, dem sehr daran gelegen war, Guy in Schwierigkeiten zu bringen, das aber keine Verantwortung dafür übernehmen wollte. Einen solchen Brief zu schreiben war zwar kein Verbrechen, aber womöglich fühlte der Betreffende sich trotzdem schuldig und wollte die eventuellen Konsequenzen nicht auf sich nehmen.
    Zum Mittagessen kaufte ich mir an einem Automaten ein Sandwich und eine Limonade und setzte mich auf den Rasen hinter dem Gerichtsgebäude. Es war ein heißer Tag, und die Baumwipfel wurden von trockenen Winden aus der Wüste durchgerüttelt. Die Äste der großen Nadelbäume, die vorn an der Straße standen, schienen in der Brise zu glitzern und verströmten den Geruch von Harz. Ich lehnte mich auf den Ellbogen zurück und reckte das Gesicht genießerisch in die Sonne. Um ein Uhr erhob ich mich wieder und ging ins Büro zurück, wo ich meine Erkenntnisse zu den Fällen, die ich bearbeitet hatte, abtippte. So sieht das Leben einer Privatdetektivin heutzutage aus. Ich verbringe mehr Zeit damit, mich an einer Smith-Corona zu üben als an einer Smith & Wesson.

12

    Mein Dauerlauf war an diesem Morgen unbefriedigend gewesen. Ich hatte getan, was getan werden mußte, war pflichtschuldig anderthalb Meilen den Fahrradweg hinab und anderthalb Meilen wieder zurück gejoggt, konnte aber dabei keinen Rhythmus entwickeln, und der ersehnte Endorphinausstoß hatte sich auch nicht eingestellt. Mir ist aufgefallen, daß ich an Tagen, an denen das Joggen nicht gut läuft, ein emotionales Unbehagen empfinde, das sich wie Beklommenheit ausnimmt, diesmal auch noch vermischt mit einer leichten Depression. Ehe ich zu Alkohol oder Tabletten greife, ist manchmal das einzige Heilmittel, erneut zu trainieren.

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