Goldhand (Ein Artesian Roman) (German Edition)
Gasthöfe auf seinem Weg, versorgte sich mit Lebensmitteln und marschierte anderntags weiter.
Der Schmerz um den Verlust Madigans wurde immer geringer und in diesen Tagen ertappte er sich dabei, dass er zum ersten Mal in der Lage war, sich an die schönen Augenblicke mit ihr zu erinnern, ohne sich krümmen zu müssen. Hockster wollte glauben, dass er sie eines Tages wiedersehen würde, irgendwann, irgendwo, aber er wusste auch, wie unwahrscheinlich das war. Rok Talusien war der einzige, der sein Ziel, Tarnagg, gekannt hatte, doch dahin war er nicht mehr unterwegs.
Nach drei Wochen änderte sich die Landschaft, wurde hügeliger und schwieriger zu durchwandern. Hockster verfluchte seine kurzen Beine und erinnerte sich mit Neid an all jene, die hoch zu Pferde schnell und sicher ihr Ziel erreichen konnten. Für ihn kam das nicht in Frage, da er, einmal aufgestiegen, niemals wieder absteigen durfte. Pferde waren einfach zu groß und kamen nicht in Frage, außerdem machten sie ihm Angst. Aber es gab andere Möglichkeiten. Hockster hatte einmal kleine Bergponys mit kurzen Beinen und kräftigen Rücken gesehen; die waren eher geeignet, aus ihm einen Reiter zu machen. Wo aber sollte er hier im Landesinneren Bergponys finden?
Irgendwann an einem der nächsten Tage erreichte er gegen Mittag ein Gehöft und hörte schon von weitem das kräftige Brüllen eines Esels. Er marschierte zielstrebig auf das Bauernhaus zu. Als er näherkam, erkannte er ein halbes Dutzend der graufelligen Tiere, die auf einer nahegelegenen Koppel standen. Der Bauer hatte ihn kommen sehen und erwartete ihn mit einer Frau vor der Tür. Hockster nahm seinen Hut ab, verbeugte sich vor dem Paar und stellte sich vor. Der Bauer hieß Wandil, seine Frau Juwena.
Der Bauer lud ihn zum Mittagessen ein und war auch bereit, ihm einen Esel zu verkaufen. Aber der Preis, den er nannte, war viel zu hoch, als dass Hockster ihn hätte bezahlen können oder wollen. Sollte er einen seiner wertvollen Steine hergeben, um einen Esel zu bekommen? Nein! Sie waren viel zu wertvoll und unerlässlich für einen Steinzauberer. Hockster lehnte dankend ab. Nach einem üppigen Mittagessen, für das er sich herzlich bei dem Paar bedankte, verabschiedete er sich und nahm seine Wanderung nach Westen wieder auf. In einer grasbewachsenen Senke, keine halbe Stunde Fußmarsch vom Hof des freundlichen Paares entfernt, machte Hockster frühzeitig Rast. Kurz vor Mitternacht kehrte er zurück, suchte und fand den Eingang zur Koppel und gerade, als er das Gatter öffnen und die Koppel betreten wollte, erklang eine Stimme aus der Dunkelheit. „Ich wusste, du würdest zurückkommen, um mich zu bestehlen, Kerl.“
Der Bauer kam näher, bis er dicht vor Hockster stand. Hoch ragte er über ihm auf. Noch ehe Hockster etwas zu seiner Verteidigung sagen konnte, schlug der Bauer mit seiner zur Faust geballten, starken und schwieligen Pranke zu. Hockster fiel sofort um und rührte sich nicht mehr.
Er erwachte sehr viel später. Es war noch immer dunkel. Oder schon wieder. Er hatte keine Ahnung. Er lag auf Stroh und es roch nach Tieren. Er nieste und hatte das Gefühl, dass sein Kopf wie eine am Boden aufschlagende Melone zerplatzen müsste. Er lag in einem Stall. Hockster tastete nach seinem Gürtel. Der Knüppel war weg und auch sein Edelsteinbeutel. Stöhnend sank er zurück ins weiche Heu.
Der Morgen brach an und Hockster fühlte sich noch immer elend. Wenig später öffnete sich knarrend das Stalltor und Wandil kam herein. Hockster wagte nicht, die Augen zu öffnen, aus Angst, wieder geschlagen zu werden.
„Wach auf“, sagte der Bauer und schüttelte ihn an der Schulter. Hockster öffnete langsam die Augen und begegnete dem unversöhnlichen Blick des Bauern. „Steh auf“, verlangte er.
Hockster erhob sich mühsam. Er sah feurige bunte Kreise vor seinen Augen. „Und jetzt verschwinde von meinem Hof!“, sagte der Bauer, Hockster torkelte nach draußen. Die Sonne stach ihm in die Augen und stöhnend sank er auf ein Knie. „Mein Hut!“, verlangte Hockster. „Steine!“
„Hau ab, du Dieb. Verschwinde! Ich will dich hier nicht haben.“
Hockster sah auf. „Ich wollte gar nichts stehlen“, erklärte er mühsam. „Wollte nur sehen, ob ich allein auf den Eselsrücken kommen kann. Bin kein guter Reiter. Wollte nur sehen ...“, dann fiel er um und lag still.
Der Bauer stand in der Morgensonne und betrachtete Hockster.
„Steh da nicht wie ein Idiot herum“, rief seine Frau von der Tür.
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