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Goldhand (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Goldhand (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Goldhand (Ein Artesian Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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„Bring ihn her.“ Wandil tat, wenn auch widerstrebend, was seine Frau verlangte. Als er den ohnmächtigen Hockster ins Haus trug, schimpfte sie: „Du hast viel zu fest zugeschlagen. Er ist ja nicht größer als ein Kind. Wenn er stirbt, wirst du deines Lebens nicht mehr froh, Wandil, das sage ich dir. Leg ihn aufs Bett. Vorsichtig. Was hat er da draußen zu dir gesagt?“
    Der Bauer zuckte die Schultern. „Das war gelogen.“
    „Sag es mir!“, verlangte sie und stemmte die Fäuste in die Hüften.
    „Er wollte mir weismachen, dass er nur mal auf den Rücken einer meiner Esel klettern wollte, um zu sehen, ob er das schafft. Ich glaube ihm kein Wort. Er ist ein Dieb.“
    „Woher weißt du das, Herr Wandil?“
    „Schau ihn dir doch an. So sieht ein listiger, verschlagener Spitzbube aus. Ich frage mich, ob er überhaupt ein Mensch ist. Sieht mir eher aus wie ein Zwerg – oder so ein Gnom – du weißt schon, die aus den Geschichten.“
    „Du bist wirklich ein Idiot. Geh jetzt. Ich werde mich um ihn kümmern.“
    „Du machst einen Fehler, Juwena. Er ist es nicht wert.“
    „Und was bist du wert, Wandil? Du wolltest ihm seine Edelsteine wegnehmen und ihn fortschicken. Du bist der Dieb, er aber ist noch nicht überführt.“
    „Warum setzt du dich so für einen Fremden ein?“
    Juwena sah auf Hockster herab. „Weil er klein ist.“
    In den nächsten Tagen erholte sich Hockster langsam. Er konnte aufstehen und kurze Spaziergänge machen, ohne dass ihm schwindelig wurde. Gleich nachdem er im Bett des Bauern zu sich gekommen war, hatte Juwena ihm Hut, Knüppel und vor allem seinen Edelsteinbeutel wiedergeben. Kein Stein fehlte. Er fand aber einen weiteren Gegenstand, den er zuerst nicht einordnen konnte. Eine graue Metallscheibe, dick wie ein Kupfermünze und auf beiden Seiten war das geschnörkelte ’ L ’ eingraviert, das er zum ersten Mal an Madigans Brust gesehen hatte – das Zeichen der Litkov-Söldner. Ein Geschenk Madigans? Warum? Die Scheibe war nicht magisch, das spürte er. Was steckte also dahinter? Ein weiteres Rätsel? Der Gedanke heiterte ihn auf. Er legte die Scheibe zurück zu seinen Steinen und schloss den Beutel wieder.
    Als Hockster wieder gesund war, bot er Wandil als Gegenleistung und als Dank für Kost und Logis an, ihn auf seine Felder zu begleiten und ihm zur Hand zu gehen. Abends saß er mit ihm und Juwena im Schein zweier fahl leuchtender Kerzen und erzählte Geschichten aus seiner Heimat und von seinen Wanderungen. Er erfuhr, dass Juwena und Wandil keine Kinder haben konnten, was ihn traurig stimmte. Wandil war zwar ein mürrischer Kerl, grobschlächtig und mit einem Hang zur Brutalität, aber er behandelte seine Frau mit einer Sanftheit, die Hockster rührte.
    Eine Woche später verabschiedete Hockster sich von dem einsam lebenden Paar und marschierte wieder nach Westen. Diesmal durchquerte er die Senke und kam auch in der nächsten Nacht nicht zurück zu Wandils Hof, obwohl der argwöhnische Bauer bis zum Morgen Wache hielt.
    Wenige Tage später erreichte Hockster ein riesiges Waldgebiet, dass sich von Ost nach West bis zum Horizont erstreckte. Er brauchte lange, um es zu durchqueren. Als er endlich wieder ins Freie trat, war der Sommer zu Ende und der Herbst begann.
    Als die Tage schon merklich kälter wurden, erreichte Hockster eines der abgebrannten Fischerdörfer, das er auf dem Hinweg nach Idenhal gesehen hatte. Damals war er in Begleitung eines fähigen Söldners und Jägers und einer schönen und zugleich geheimnisvollen Frau unterwegs gewesen. Er bog nach Süden ab und gelangte anderen Tags endlich an sein Ziel: Diwens Steinkreis.
    Nichts hatte sich hier verändert. Die Steinsäulen standen unberührt wie ehedem. Er sah sich um, diesmal mit dem Blick eines Mannes, der in der Wildnis überwintern wollte. Der nahegelegene Wald würde ihm ein wenig Schutz für die nächsten Tage bieten. Zwischen zwei eng beieinanderstehenden Bäumen spannte er seinen Umhang über tiefhängende Äste als Schutz vor Regen und – wer konnte es sagen – vielleicht auch vor dem ersten Schnee. Aber ihm war klar, dass das keine dauerhafte Lösung war. Er brauchte Baumaterial für ein kleine, aber wetterfeste Hütte, Lebensmittel um über den Winter zu kommen und Saatgut für das kommende Jahr. Er verfügte über kein handwerkliches Geschick, also musste ein anderer die Hütte für ihn bauen. Doch die einzige Ortschaft, die innerhalb eines Tages erreichbar war und die er kannte war

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