Goldhand (Ein Artesian Roman) (German Edition)
fällt alles auseinander. Hockster gefiel der Vergleich. Hätte er die Wahl gehabt, hätte er sich ein wehrhaftes Diwenstein gewünscht, eines, das allen Gewalten trotzen konnte. Aber Diwenstein war anders als alle anderen Städte und wenn es seine Einzigartigkeit behalten wollte, musste es auf Wehrmauern, Soldaten und Kriegsgerät verzichten. Diwensteins Stärke und Schutz lagen gerade darin, dass die junge Stadt über keinerlei Wehrhaftigkeit verfügte.
Hockster beobachtete die Menschen, die geschäftig an seiner Hütte vorbeiliefen. Jene die ihn kannten, grüßten freundlich, alle anderen höflich.
„Du bist beliebt hier“, sagte Garlit. Es klang wie eine Frage, war aber keine. Hockster antwortete nicht. Etwas war seltsam an diesem Mann, der behauptete, seinen Lebensunterhalt mit dem Schutz von Karawanen zu verdienen. War es schlechtes Gewissen oder persönliches Interesse, dass er geblieben war.
„Allerdings kann ich mir deine Unruhe nicht erklären“, beendete Garlit seinen Gedanken.
„Ich bin nicht unruhig“, widersprach Hockster.
„Mir machst du nichts vor. Ich sehe es, wenn jemand auf irgendetwas wartet. Und genau das tust du gerade – warten!“
„Richtig! Ich warte tatsächlich. Aber nicht mehr lange.“
„Nach allem, was ich gehört habe, hast du diese Stadt zu dem gemacht, was sie ist. Die Menschen hier glauben, dass sie dich brauchen. Du bist hier in Sicherheit. Aber etwas treibt dich fort.“
„Ich werde nach Trenadil gehen.“
„Die Festung des Königs? Dort lebt niemand mehr. Was suchst du dort?“
„Wenn ich das wüsste ...“, erwiderte Hockster leise.
Garlit drehte seinen Kopf und sah Hockster mit ernstem Blick an. „Es gibt ein Lied, das ich einmal gehört habe, tief unten im Süden, oder war es eine Geschichte? Ich weiß es nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch teilweise daran, doch es scheint, als hätte der Dichter dich vor Augen gehabt, als er es niederschrieb. Darin heißt es ungefähr: ‚... der Erbauer des Hauses, der Gründer der Stadt, hat eine Hand aus Gold und das Herz eines Heilers ...‘“
Horinda, die auf die Veranda trat, hatte die letzten Worte Garlits gehört. Mit einem verzücktem Lächeln sprach sie die zweite Strophe:
„...
Königlich ist er durch seine Taten,
aber König wird er nicht sein.
Er gebietet über tausend Soldaten,
doch am Ende ist er allein.“
Horinda bedachte die beiden Männer mit einem frohen Lachen. „Die Legende vom Heiler ist eine meiner Lieblingsweisen. Meine Mutter hat sie mir oft vorgesungen, als ich ein Kind war. Noch Tee?“, fragte sie freundlich, dann zog eine zarte Röte über ihre Wangen. Sie senkte den Kopf und verbarg ihr Gesicht hinter einem Schleier aus braunen Haaren.
„Nein, danke“, Hockster schüttelte den Kopf und stöhnte schmerzerfüllt, als es hinter seiner Stirn zu pochen begann. Der Schmerz verging so schnell, wie er gekommen war. „Ich habe genug davon“, sagte er. „Ich meine, ich habe noch etwas Tee hier.“ Wie zur Bestätigung hob er die noch halbvolle Tasse.
„Vielleicht wäre dir ein Krug Wein lieber“, sagte Garlit lachend.
„Ja!“, erwiderte Hockster. „Das wäre jetzt genau das Richtige, den passenden Kater habe ich schon.“
„Aber das geht doch nicht“, erklärte Horinda empört. „Du bist krank – noch viel zu schwach.“
„Dann lauf und frage Serima, ob ich Wein trinken darf“, empfahl Hockster.
Die junge Frau zögerte einen kurzen Moment, schluchzte dann, raffte ihre Röcke bis weit über die Knie und eilte davon.
„Hübsche Beine“, sagte garlit. „Du solltest nicht so hart zu ihr sein. Sie ist ein liebes, junges Mädchen, das dich voller Hingabe gepflegt hat.“
„Ich werde es mir merken“, sagte Hockster. „Jetzt geh und schau in der Küche nach. Da findest du Wein und entsprechend große Becher. Ich warte hier solange.“
„Das ist ein ausgezeichneter Gedanke.“ Kurz danach kam Garlit zurück. In der einen Hand einen Krug Wein, in der anderen zwei große Becher. Er goss beide Becher bis zum Rand voll und reichte Hockster einen mit den Worten: „Auf dass unsere Hoffnungen Wirklichkeit werden.“
„Was soll das heißen?“, fragte Hockster.
Garlit trank einen Schluck Wein, dann sagte er: „Seit jener Nacht, in der du durch mich das Muster zerstört hast, habe ich nicht ruhig schlafen können. Der Gedanke, du könntest nicht wieder erwachen, war nicht sehr erfreulich. Es tut mir leid, dass ich dich in diese schwierige Situation gebracht habe.
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