Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
ermunterte mich Tine, lehnte sich zurück und biss in ein Käsebrötchen. „Ich kann dir nur helfen, wenn du mir alles erzählst.“
Also folgte ich zögernd und versuchte ihr die traumatischen Erlebnisse so kurz wie möglich wiederzugeben. Sie lauschte interessiert und fragte ab und zu etwas genauer nach. Als ich geendet hatte, hieb sie mit der Hand auf den Tisch, dass ich erschrocken zusammenfuhr und rief: „Du musst es herausfinden, Kiraffchen!“
„Wer weiß wie lange das dauert. Manche brauchen ein ganzes Leben für so was und du willst ja sicher nicht, dass ich dir wochenlang auf der Pelle hocke. Und überhaupt, wie soll das gehen?“, murrte ich, die leere Tasse auf dem Tisch herumschiebend.
„Ganz einfach. Du hast diesen Namen und du weißt, dass es um Zarengold geht. Du wirst recherchieren, und zwar vom Jahrhundert dieser Sophia Alexejewna an aufwärts. Irgendwo muss es einen Hinweis geben.“
Ich stöhnte und lächelte gequält. „Irgendwie hatte ich mir meinen Urlaub anders vorgestellt. Und überhaupt, selbst wenn ich einen Hinweis finde, wie soll es dann weiter gehen? Wie finde ich heraus, was genau ich tun muss, damit diese Sophia Alexejewna Ruhe gibt? Das Zarengold suchen, ok. Aber ich kann ja schlecht die Eremitage ausrauben.“
„Du tust, was du tun musst. Und eines nach dem anderen. Der weitere Weg ergibt sich dann von selbst. Du wirst sehen. Auch ein neues oder altes Zuhause wird sich zur rechten Zeit finden, bis dahin bleibst du hier. Ich bin ja sowieso die meiste Zeit auf Tournee. Und den Urlaub vergiss mal gleich. Du wirst im Büro anrufen und unbezahlte Freistellung verlangen, mindestens vier Wochen! Du hast jetzt wichtigeres zu tun!“
„Bist du verrückt! Ich muss doch Geld verdienen!“ Entgeistert starrte ich sie an.
„Ahh, du hast wohl keines?“, fragte meine schlaue Freundin listig.
„Doch, schon, aber nicht so viel, dass ich mich damit zur Ruhe setzen könnte.“
„Wer redet hier von ‚zur Ruhe setzen’? Für wie lange würde es reichen?“
„Na ja, so ein bis zwei Monate gingen schon“, hauchte ich nervös.
„Aha! Was ist dir lieber – dein Seelenfrieden oder mehr Geld auf dem Bankkonto?“
Ich gab mich geschlagen. Ihre Direktheit war manchmal geradezu entwaffnend. Darauf fiel mir ein, was Herr Luchterhand über seine verschwundene Freundin erzählt hatte und wiederholte es in einer beiläufigen Bemerkung. Christine schien dies ebenfalls etwas zu verwirren, aber es schmälerte keineswegs ihren Optimismus.
„Das ist ja äußerst eigenartig und sehr interessant. Allerdings frage ich mich, was das alles mit dir zu tun hat. Diese Olga wird vermisst sagtest du? Na, ich glaube, es ist ganz gut so, dass du dich jetzt bei mir aufhältst. Du solltest nur im äußersten Notfall zurück in deine Wohnung gehen. Wenn du noch etwas brauchst, sag mir Bescheid, ich hole es dann nachmittags mit dem Auto.“
Sie verschwand im Schlafzimmer, um ihre Koffer zu packen, und ich griff nach dem Handy, um im Büro anzurufen. Wozu hatte ich mich da nur überreden lassen und wo sollte das alles enden? Dies waren die letzten Fragen, die mich beschäftigten, bevor ich meinem aus allen Wolken fallenden Chef klarzumachen versuchte, dass ich wegen 'persönlicher Gründe' die nächsten vier Wochen nicht arbeiten können würde.
***
Noch immer hockte Peter in seinem Versteck, als er bemerkte, wie das Kanonenboot mit stetig größerer Geschwindigkeit sank. Die Piraten hatten sich inzwischen nach unten begeben um die Beute zu sichern, danach würden sie das Schiff verlassen. Er fand, dass es höchste Zeit sei, eines der Rettungsboote herabzulassen und hoffte, dass ihn niemand sehen würde, wenn er im Windschatten der „Wassilissa“ auf die baltische Küste zusteuerte.
Sobald er in dem wackligen kleinen Boot saß, legte er sich deshalb in die Ruder, so gut er nur konnte. Doch trotz der Anstrengung entging ihm nicht die Uniform mit den blitzenden Knöpfen, die träge im Wasser schaukelte. Als er näher heran geglitten war, erkannte er den netten Schiffsarzt. Sein weißes Gesicht trieb regungslos inmitten kleiner tanzender Wellen. Peter krampfte es das Herz zusammen und augenblicklich sah er die Bilder wieder vor sich, wie die Piraten ihn, den zappelnden und sich sträubenden kleinen Jungen, gleich einem Paket in ihren Schoner hinüberwarfen. Auch seine Eltern sah er. Er konnte sich an sie ausschließlich als an ein Gebilde aus Armen, Beinen und weißem
Weitere Kostenlose Bücher