Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
Raik zum vereinbarten Zeitpunkt auf dem betonierten Parkplatz unweit meines Hauses. Er trug einen hellbraunen Anzug und ein zartgelbes Hemd ohne Krawatte. Er lächelte. Ich lächelte. Wir lächelten beide. Selbst im Auto lächelte ich noch und dachte bei mir, dass ich endlich aufhören sollte, so beknackt zu lächeln, das sei ja lächerlich, doch es gelang mir nicht. Statt dessen lächelte ich die Autoscheibe an und die Straße dahinter, die Ampeln, ob grün oder rot, die Menschen, die in Cafés auf dem Fußgängerweg saßen, die Häuser und die Wolken. Wenn er lächelte, sprühten aus seinen blauen Augen kleine gelbe Funken, so wie aus Feuersteinen, die tief am Grunde des Meeres liegen, und deren Feuer, vom Wasser nicht aufgehalten, in bunten Funken zu den Brüdern und Schwestern der Sonne strebt. Er erzählte von der vergangenen Woche und erst als er fragte, was ich erlebt hätte, fiel es mir nach kurzem Nachdenken wieder ein.
„Ich wohne nicht mehr zu Hause“, antwortete ich kurz und Raik schaute irritiert zu mir herüber. Ich erläuterte, dass ich vorübergehend bei einer Freundin wohne, der Grund dafür aber schwer zu erklären sei und hoffte, dass er dies auf sich beruhen ließ.
„Und wie lange willst du dort bleiben?“, fragte er.
„Ich weiß nicht", gab ich zurück. „Fest steht nur, dass ich nie wieder in meine alte Wohnung gehe.“
„Warum willst du mir nicht sagen, was passiert ist?“
„Weil du dann denkst, ich hätte eine Meise!“
„Das denke ich sowieso“, neckte er und lachte.
Ok, wenn er es so wollte. Ich war gespannt, was er nach meiner Erzählung dazu sagen würde, und berichtete über meine unheimlichen Träume und die erschreckende Wand in meinem Zimmer. Außerdem erzählte ich ihm, was Christine dazu meinte, und dass ich beschlossen hatte einen Reinkarnationstherapeuten aufzusuchen.
Er verzog die Mundwinkel – ich sah es ganz deutlich – und ich ohrfeigte mich gedanklich selbst. Toll! Natürlich hielt er das alles für Humbug, ich hätte es wissen müssen, und mich wahrscheinlich für ein bisschen blöd. Lieber Himmel, da konnte ich nur hoffen, dass ihm das nichts ausmachte. Es soll ja Männer geben, die auf blöd stehen.
„Nun, ich finde, du solltest dir lieber eine neue Wohnung suchen statt eines Reinkarnationsexperten. Aber das ist deine Sache“, bemerkte er mit einem leicht zynischen Grinsen, wie ich glaubte. „Und ich will dir noch etwas sagen: Vielleicht bist du dem Zarengold, zumindest einem Teil davon, näher als du ahnst.“
Ich merkte, wie ich ihn entgeistert anstarrte.
„Wie... was meinst du damit?“
Einen kurzen Moment schweigend, gab er gleich darauf die Antwort: „Hast du vergessen, dass Albert von Ferdinand, dem Seebeuter, abstammt und dass der Sohn Ferdinands sich diesen Grundbesitz nur durch die Hinterlassenschaft seines Vaters leisten konnte?“
„Du meinst...?“
Raik nickte, ohne dass ich weitersprach.
„Aber das muss doch kein russisches Gold gewesen sein. Der kann überall geplündert haben. Und wenn dafür Land gekauft wurde, ist es jetzt sowieso weg“, zweifelte ich.
„Wer weiß...“
Raik schien da anderer Meinung zu sein oder mehr zu wissen, dennoch fragte ich nicht weiter nach. Die Aussicht, möglicherweise tatsächlich so nah am Zarengold zu sein, während ich mich vor zwei Stunden noch fragte, wie ich ihm jemals auf die Spur kommen sollte, überwältigte mich. Wenn es wirklich, wirklich so war, dann konnte dies nur ein unheimlicher Zufall sein. Und ebenso unheimlich war, wie ich ohne mein Dazutun von einem Schritt zum nächsten geführt wurde, genauso wie es Christine prophezeit hatte. Ich zerbrach mir den Kopf, ohne dass es einen Grund dafür gab, denn alles fügte sich – vielleicht.
„Weißt du nicht, dass es keine Zufälle gibt?“
Anscheinend hatte ich laut gesprochen und er lächelte. Diesmal hatte ich jedoch den Eindruck, dass eine unbestimmte Traurigkeit darin lag. Die gelben Funken in seinen Augen fehlten.
„Und übrigens – du siehst toll aus. Ich glaube, ich erwähnte das noch nicht“, schob er hinterher. Ich strahlte wie ein Backfisch auf Koks.
***
Tagebucheintragung vom 15.02.1985
Mein Leben ist eine Hölle und Olga der Teufel höchstpersönlich, so erscheint es mir zumindest manchmal. Sie schreit mich an, bespuckt und schlägt mich, und das nicht nur zu Hause, sondern auch vor anderen. Ich verstehe mich selbst nicht, aber ich liebe sie noch immer und
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