Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
ich glaube nicht, dass das jemals anders sein wird, sein kann. Niemals werde ich sie verlassen. Ich glaube, das weiß sie. Wie war ich froh, als sie wieder begann, mit mir zu schlafen. Alles würde gut werden, dachte ich. Sie liebt mich noch und will mich. Trotzdem fühle ich mich oft irgendwie benutzt. Aber wenn sie mich will, muss doch einfach alles richtig sein, denn ich will sie ja auch. Es macht mich traurig, dass ich so viele Fehler habe, dass sie mich nicht ertragen kann. Ich hatte gehofft, sie würde mich so sehr lieben, dass sie sich nicht daran stört und mir verzeihen kann. Deshalb bin ich dankbar, dass sie trotzdem versucht, es mit mir auszuhalten. Aber ich wünschte, sie wäre ab und zu etwas nachsichtiger. Ich merke direkt, dass ich dadurch, dass sie mich vor anderen zum Trottel macht, nur noch trotteliger werde, denn ich erwarte fast in jeder Situation, dass sie mir über den Mund fährt und mich niedermacht, weshalb ich krampfhaft versuche, mich so zu verhalten, dass es sie nicht stört. Und natürlich gelingt das nicht. Es ist ein Scheißgefühl, manchmal denke ich fast, ich wäre besser tot. Sowas nutzloses, unfähiges und trampeliges wie mich braucht die Welt nicht. Da scheint die natürliche Auslese versagt zu haben.
Der einzige Trost sind meine Bratkartoffelversuche. Auch wenn ich verabscheuenswürdig und unfähig bin, so sind meine Bratkartoffeln doch nahezu perfekt. Aber nur nahezu. Auch Olga isst sie gerne. Inzwischen experimentiere ich am Bratfett, denn ich glaube, dass Bratfett nicht gleich Bratfett ist. Margarine, Öl oder Butter habe ich aufgegeben und nehme stattdessen Schmalz. Das hat so einen herzhaften Grundgeschmack und ich kann es selbst auslassen, wobei ich verschiedene Kräuterzusätze ausprobiere.
***
Zwanzig Minuten später hielten wir in einer Straßenflucht nahe der Spree. Raik führte mich über mehrere Terrassen, die sich aufgereiht am Ufer drängten. Es war noch immer ein schöner Spätsommertag. Zwar nicht mehr ganz so warm, aber mit herrlichem Sonnenschein und zarten Federwolken, die verspielt wie durchsichtige Schleier über den knallblauen Himmel zogen. Die Sonne stand schon tief am Horizont und die Schatten wurden länger, was dieses schöne Abendlicht hervorbrachte, welches die Kontraste verstärkte und die Farben leuchten ließ. Viele Menschen waren unterwegs oder ruhten sich auf den Bänken am Ufer aus. Aus einem fernen Biergarten drangen Fetzen von Musik zu uns herüber. Raik führte mich auf einen befestigten Uferweg, der nach einiger Zeit in einen Waldweg mündete.
Kähne, Yachten und Motorboote lagen bewegungslos auf dem abendlichen Wasser. Ein Frachtkahn aus Polen legte am Ufer an, ein stattlicher Kahnführer schlang die Taue fest um den Holzpfahl, der aus dem Wasser ragte, so dass seine Muskeln unter der gebräunten Haut auffallend spielten, und rief fremdländische Worte zu einem Kameraden hinüber.
Wir erreichten eine winzige Anlegestelle, die nur durch wenige Bohlen befestigt war. Spinnen hatten zwischen ihnen kunstvolle Netze gesponnen, die jetzt im Abendlicht wie milchige Seidenfäden glänzten.
Raik gab mir zu verstehen, dass wir einen Moment zu warten hatten, aber schon kurze Zeit darauf hörte ich das Dröhnen eines Motorbootes sich nähern. Es steuerte direkt auf uns zu und ein kleingewachsener Mann mit einer Schiffermütze auf dem Kopf, unter der weiße Haare ungebändigt hervorflogen, winkte freundlich und legte schließlich an.
„Hallo Rudi!“, begrüßte Raik ihn. „Heute viel zu tun?“
„Dat kann man wohl sagen.“ Rudi kniff die Augen zusammen, tiefe Lachfältchen bildeten sich, die ihm ein verwegenes Aussehen gaben.
„Es gibt keine Verbindung zum Festland, weißt du...“, wandte Raik sich an mich, „...und auch keine Fährlinie. Für die Verbindung ist der alte Rudi zuständig.“
„Achso“, murmelte ich und nickte höflich zu Rudi hinüber.
Dieser gab mir mit einer wortlosen, aber freundlichen Geste zu verstehen, dass ich nun einsteigen solle. Das tat ich und suchte mir einen Sitzplatz neben der Reling. Raik setzte sich neben mich. Er erschien mir fremd, vielleicht war es nur die fremde Umgebung, die sich auf ihn übertrug. Hinter dem Fluss erstreckte sich vor uns ein Streifen geheimnisvoll grünen Landes, doch als wir auf dem Wasser dahinflogen bemerkte ich, dass wir das dunkelsmaragdene Land links liegen ließen und daran vorbeifuhren.
„Die Taubeninsel liegt etwas versteckt dahinter“, schrie mir
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