Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
das dunkelblonde Haar der Schönen und auf ihren schlanken Hals.
„Ich...ich...wer zum Teufel sind Sie?“
„Du besitzt noch etwas, das mir gehört.“
Piotr Petrowitsch wurde heiß und kalt. Wollte sie ihn erpressen?
„Was wollen Sie?“ Er wurde ungehalten und hustete vor Aufregung.
„Hast du das Elfenbeinmesser aufgehoben, das ich dir gab?“
Piotr Petrowitsch glaubte sich in seiner Verwirrung in einem perfiden Albtraum, und doch, als er sie anblickte, erschien vor seiner gläsernen Sehhilfe ein anderes Gesicht, ein nie vergessenes Gesicht aus Zeiten der größten Not.
„Wilfried?“, fragte er fast lautlos als verübe er ein unerhörtes Sakrileg. Das konnte, durfte einfach nicht sein.
Ein Strahlen brach sich Bahn über die ernste Festung ihrer Lippen. Dann kicherte sie wie ein Schulmädchen.
„Ich weiß, du musst dich gerade fürchterlich fühlen. Ich würde dir gerne alles erklären, wenn du mich lässt.“
Noch immer war Piotr Petrowitsch nicht in der Lage etwas zu sagen, er nickte nur und winkte seinem Gesellen, der die ungewöhnliche Unterhaltung des Goldschmiedemeisters mit der gutaussehenden Kundin bereits seit geraumer Zeit verstohlen aus der hinteren Werkstatt verfolgte, damit er sich um das Geschäft kümmere. Der Dame hingegen wies er mit einer stummen Geste den Weg in seine Privaträume. Dann saßen sie schweigend am großen Tisch aus Nussbaumholz und keiner von beiden wusste so recht, wie beginnen. Der schwere Regulator in der Ecke surrte und zog und rasselte und schlug mit einem Mal die volle Stunde. Durch das geöffnete Fenster drang der Lärm unzähliger Droschken und Fuhrwerke.
„Darf... darf ich dir etwas anbieten, etwas zu trinken meine ich? Tee, Wodka?“
Die seltsame Dame schüttelte den Kopf und im gleichen Moment konnte der Goldschmied nicht mehr an sich halten.
„Warum verkleidest du dich? Was soll das?“ Er fühlte sich ein ganz klein wenig hilflos.
„Ich verkleide mich nicht, zumindest nicht JETZT.“ Wieder kicherte die Schöne wie ein Schulmädchen, etwas, das Piotr Petrowitsch an Wilfried Zeew niemals bemerkt hatte.
„Ehrlich. Ich bin das, was du jetzt siehst. Ich bin eine Frau und war es schon immer.“
Piotr Petrowitsch musste unwillkürlich an die Fürsorglichkeit, Besonnenheit und Güte Wilfried Zeews denken. Jetzt wurde ihm einiges klar, wenn ihn auch die Überraschung nervlich arg strapazierte, so arg, dass er kurzzeitig das Atmen vergaß und grollend keuchte, als es ihm wieder einfiel.
„Wie hast du bloß? Wie konntest du bloß? Das ist ja ungeheuerlich! Nein, ich glaub es einfach nicht. Verflixt und zugenäht! Nimm mich nicht auf den Arm, du! Los erzähl endlich!“
„Na ja, so viel zu erzählen gibt es gar nicht. Du erinnerst dich doch sicher noch, als ich dir davon berichtete, wie die Piraten meine Eltern töteten und mich auf ihr Schiff verschleppten. Als der Kampf tobte hatte ich mich unter Deck versteckt gehalten und die Kleidung eines Jungen gefunden. Da ich nicht wusste, was mit mir geschehen wird, aber schon ahnte, dass ich ihnen nicht entkommen konnte, habe ich die Kleidung gewechselt, die Haare abgeschnitten und mich so zurecht gemacht, dass ich wie ein Junge aussah. So fanden sie mich und nahmen mich mit, damit ich als Schiffsjunge bei ihnen arbeite.“
„Aber es ist unglaublich, dass nie jemand etwas gemerkt hat. Wie hast du das nur angestellt?“
„Ich habe einfach meine Arbeit gemacht und mich sonst zurückgehalten. Und sie haben mich in Ruhe gelassen.“
Piotr Petrowisch brach in schallendes Gelächter aus. „Nein, was es alles gibt! Nein, nein, nein! Ich fasse es nicht!“ Er schien völlig außer Rand und Band zu sein und schlug mit der Hand auf den Tisch, dass das Zimmer wackelte. Dann wurde er wieder ernst.
„Weißt du, ich habe sehr oft an dich gedacht. Ich war dir so dankbar. Ohne dich wäre ich ihren Bosheiten, insbesondere denen Ferdinands, vollkommen glücklos ausgeliefert gewesen. Ich würde heute wahrscheinlich nicht mehr leben.“ – „Und ich hatte nie die Gelegenheit, dir richtig dafür zu danken, ich habe nur immer gehofft, dass es dich nicht erwischt, sei es auf dem Meer oder an Land“, setzte er hinzu.
Wilfried – die schöne Dame lächelte. Der Goldschmied ließ seine Blicke unbemerkt, wie er glaubte, über ihre, seine Bluse huschen, als wollte er sich selbst noch einmal vergewissern, dass es stimmte, was er gehört hatte, und entdeckte tatsächlich zwei
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