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Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)

Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Scharnbeck
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geschnürt. Aber ihr müsst bedenken, dass ich wusste, ich würde nicht mehr auf das Schiff zurückkönnen, wenn ich am Leben bleiben möchte, und nur die Wahl hatte, mir in Petersburg eine Existenz aufzubauen. Trotzdem habe ich ganz sicher einen nicht unerheblichen Teil meines Anteils zurückgelassen und auch Wil hat nur den gleichen Teil wie ihr alle bekommen, denn schließlich musste sie sich um Ferdinand kümmern, bis ihr gekommen seid.“
     Das leuchtete ein und man glaubte ihnen. Wil und Peter beschwichtigten die Männer, die vor Wut und Empörung ihren Kapitän sofort aufknüpfen wollten, wobei ihre Aufgebrachtheit aber mehr aus dem Wissen resultierte, hintergangen worden zu sein, als daraus, was Peter und Wil angetan worden war. „So ein räudiger Rattenschwanz von Pirat!“, schimpfte Schiffskoch Heiner und fuchtelte mit seinem Messer herum.
     „Überstürzt nur nichts“, sagte Wil. „Ihr müsst euch einig sein und vorher einen neuen Kapitän wählen.“ Die Piraten kratzten ihre Bärte und verschiedene Namen fielen. Doch Peter bat um Ruhe und warf ein: „Was haltet ihr davon, wenn Wil euer neuer Anführer wird?“
     Die Männer schauten sich entgeistert an. „Wil? Aber sie ist eine Frau!“
     „Und?“, antwortete Wil spitz. „Das war ich damals auch und es hat euch nicht gestört.“
     „Ihr habt selbst gesehen, was sie drauf hat“, setzte Peter hinzu. „Und sie ist intelligent, was man von euch nicht behaupten kann.“
     Seine kumpelhaft kaltschnäuzige Art wurde von den Männern mit einem Johlen bedacht, aber sie nahmen die offenen Worte nicht krumm, sondern lachten. Nur Holger blickte böse, weil er selbst Kapitän werden wollte.
     „Männer!“, rief Wil, „Ich wäre gerne euer Kapitän. Intelligenz her oder Intelligenz hin, vor allem möchte ich Vergeltung. Ihr wisst selbst, dass ich schon von früher Jugend an bei euch gewesen bin. Ich habe nichts anderes als dieses Schiff und ich kann nichts anderes als Piraterie, doch beides hat mir Ferdinand genommen, indem er mir nach dem Leben trachtete. Was wäre es für ein Triumph, wenn ich jetzt seine Stelle einnehmen könnte!“
     Das zog, aber Ketten-Hannes machte der Diskussion ein Ende, indem er für alle genannten Personen ein Symbol in eine Planke schnitzte und bestimmte, dass man darüber nachdenken und später abstimmen würde.
     
    ***
     
    Tagebucheintragung vom 12.11.1989
     Jetzt weiß ich es ganz sicher, denn ich habe es mit eigenen Augen gesehen – die Mauer ist offen. Ganz früh sind wir heute los und nur mit unserem Personalausweis über die Grenze gekommen. Allerdings mussten wir vorher zwei Stunden anstehen. Die Schlange am Grenzübergang war so lang, dass sie über zwei Straßen reichte. Einmal drüben mussten wir erneut anstehen, diesmal, um das Begrüßungsgeld abzuholen. Nach diesem vormittäglichen Anstehmarathon stand uns West-Berlin offen. Überall drängten sich die Menschen, auf Straßen, in Bussen und U-Bahnen, es war ein wirkliches Tohuwabohu, und trotzdem hörte man kaum ein Wort des Ärgers, überall herrschte noch immer ein unterschwelliges ekstatisches Staunen, eine Verwunderung und Freude darüber, dass dieser Coup gelungen ist. Die Westberliner sind sehr nett, sprechen einen auf der Straße an – anscheinend ist es nicht zu übersehen, woher wir kommen – und bieten an, dies oder das zu zeigen. Manchmal fühlt man sich richtig unwissend – gut, wie eine Banane aussieht, weiß ich auch, aber es gibt Dinge, von denen wusste ich bis heute tatsächlich nichts. Das ist peinlich und manchmal hat man den Eindruck, etwas belächelt zu werden. Überhaupt ist alles so anders. Es ist dieselbe Stadt und doch ist es fast, als sei es ein anderes Land, wenigstens ist die Sprache gleich. Es ist unglaublich und ich meine das alles zu träumen. Olga ist hin und weg, aus irgendeinem Grund meint sie, dass der Fall der Mauer ihr zuzuschreiben ist. Sie hätte einen uralten russischen Zauber angewandt. Es ist besorgniserregend und ich hoffe, das wird nicht schlimmer. Ich weiß nicht, was ich für sie tun kann, das einzige, was mir einfällt, ist, darüber hinwegzusehen. Der heutige Tag aber war wirklich unbeschreiblich. Endlich einmal auf dem Ku’damm bummeln, obwohl man vor Menschenmassen kaum etwas gesehen hat, doch das wirklich Schöne war die Überschwänglichkeit und Brüderlichkeit der Menschen. Und es ist dabei ein Wunder, ein wirkliches Wunder, dass kein Blut vergossen wurde. Aber wo Schatten ist, ist auch

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