Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
Licht. Deutschland – das Land der Dichter und Denker. In einer dunklen Nacht hat es sein Herz der Dummheit geopfert und in einer anderen dunklen Nacht hat es sein Herz wiedergefunden.
***
Auf meinem Zimmer benötigte ich ungefähr eine kostbare Stunde, um mit dem Handy eine Internetverbindung herzustellen. Es gab zwar jeden Komfort auf der Insel, aber einen Internetanschluss noch nicht. Endlich gelang es, die erste Seite baute sich mit nervtötender Langsamkeit auf. Zu Beginn suchte ich Informationen auf numismatischen Seiten, fand auch einige Anhaltspunkte über die Herkunft der Münzen, merkte jedoch, dass es mich nicht wirklich weiterbrachte. Trotzdem ließ ich mich nicht entmutigen, verglich die Zeichnungen und Schriften, notierte Jahreszahlen, gab die Münzen wieder auf und beschloss, stattdessen auf andere Art systematisch an die Sache heranzugehen, indem ich als nächstes die Familienchroniken in Angriff nehmen würde. Irgendwo mussten sich auf jeden Fall Hinweise finden lassen. Extrem konzentriert hatte ich gar nicht bemerkt, dass es bereits Abend geworden war, als ich durch das Klopfen an der Tür zusammenzuckte. Raik trat ein und fragte mich, wie ich vorankomme.
„Ach ich weiß nicht. Was ich finde, sind alles nur Möglichkeiten und Anhaltspunkte, aber nichts Greifbares. Ich glaube, ich werde mir sofort das Familienarchiv vornehmen, obwohl ich wenig Hoffnung habe, dort mehr zu finden. Dokumente aus der Zeit Ferdinands wird es darin ja wohl kaum geben, oder?“ Raik spielte mit den Fransen der Gardine. „Nein, das glaube ich nicht. Die Chronik beginnt erst mit Karl, dem Sohn. Aber man weiß ja nie.“
Wieder einmal fragte ich mich, was es für einen Sinn machte, die Stecknadel im Heuhaufen zu suchen. Allerdings war eine Stecknadel immerhin etwas reelles, während ich irgendwelchen Traumschatten der Vergangenheit hinterher jagte. Das gesamte Abendessen hindurch schwieg ich nachdenklich und Albert fragte Raik besorgt, was mit mir wäre. Ihr Gemurmel versank hinter einer dichten Wand von Bildern, welche mir durch den Kopf gingen. Fiebrig glänzendes Gold in der Schatzkammer des Zaren, Piraten auf hoher See, ein geheimes Versteck, doch die Verbindung fehlte – was hatte das alles mit mir zu tun?
Am nächsten Morgen wurde ich von lauten Tritten und Gepolter geweckt. Schnell warf ich mir das edle Dunkelblau und Gold des Morgenmantels über, der sich ebenfalls im Schrank angefunden hatte und spähte neugierig durch den Türspalt. Zwei stämmige Burschen in Holzfällerhemden schleppten ächzend einen schweren alten Schreibtisch die Treppen herauf und schwenkten in die andere Richtung der Galerie. Nanu – wunderte ich mich, und wunderte mich noch viel mehr, als sich zwei Arme von hinten um mich legten. Genauer gesagt wunderte ich mich nur den Bruchteil einer Sekunde, dann erschrak ich heftigst und drehte mich, als mein Herz wieder zu schlagen begann, abrupt um. Es war Raik. Eigentlich hätte mich dies beruhigen müssen, aber das tat es nicht, denn statt der erwarteten Grübchen sah ich ein merkwürdig fremdes Gesicht. Die Augen wirkten wie schwarze Kohlen und ein teils raublustiger, teils angestrengt abwartender Zug machte sich in seiner Mimik bemerkbar. Ehe ich mir zu viele Gedanken darüber machen oder nur ein Wort sagen konnte, verschloss er mir den Mund mit einem festen, langen Kuss und streifte mir den Morgenmantel von den Schultern. Anfangs wehrte ich mich schwach, denn schließlich war es wirklich eine Frechheit von ihm, mich so zu erschrecken. Außerdem waren wir hier nicht in einem Romantik-Thriller, auch wenn die Umstände so scheinen mochten, er hatte mir gefälligst nicht mit diesen lüsternen Nebenhandlungen zu kommen. Doch mein Körper, dieser feige Verräter, war da ganz anderer Meinung und knipste den Schalter aus, der den Rest meines Hirnes noch zur Vernunft hätte bewegen können. Wir liebten uns schnell, heftig und leidenschaftlich. Erschöpft lagen wir später auf dem Bett, lachend, als hätten wir gerade ein kindliches konspiratives Komplott geplant. Der Mann neben mir war mir nun wieder vertraut, wenn auch anders vertraut – so viel Intensität hätte ich ihm gar nicht zugetraut -, und langsam begannen meine logikbegabten Gehirnzellen erneut zu arbeiten.
„Sag mal, wie bist du eigentlich in mein Zimmer gekommen?“
Er grinste frech und sein Gesicht verzog sich zu einem gedehnten „Tjaaaaaa...“ Dann fasste er mich bei der Hand, zog mich hoch und führte
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