Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
alles?“
„Ja.“
„Hm, da muss er dir ja sehr vertrauen.“
„Ja. Wir haben uns schon immer gut verstanden und im Gegensatz zu seiner Nichte kann ich so mit Geld umgehen, dass etwas übrig bleibt.“ Er lachte und zog einen zweiten Schlüsselbund mit kleineren Schlüsseln hervor. Damit öffnete er einen der wuchtigen Schränke.
„Hier sind die Stücke verwahrt, die noch in seinem Besitz sind und nicht veräußert wurden. Laut Überlieferung aus der Beute Ferdinands, des Seebeuters. Einige alte Goldstücke, Schmuck und diverser Zierrat.“
„Und in den anderen Schränken?“
„Wertsachen, die später in der Familie dazugekommen sind, gekauft und so weiter.“
„Aha“, machte ich und starrte gebannt auf das erste Holzkästchen, das Raik aus dem dunklen Schlund des Schrankes holte. Mein Staunen wollte nicht aufhören, als er es geöffnet hatte. Schmuckstücke, wie ich sie niemals gesehen hatte, sowie niedlicher kleiner, aber unbezahlbarer Nippes glänzten darin. Ich betrachtete jedes Stück eingehend und gründlich, doch so schön und kostbar das alles auch war, viel mehr interessierten mich die Goldmünzen. Raik nahm deshalb ein anderes Kistchen aus dem Schrank und öffnete es. Ich rechnete mit einem Anblick, wie ich ihn von Goldtruhen aus Seeräuberfilmen kannte, aber statt dessen war das Kistchen halb leer und die Münzen staken säuberlich in schwarzem Samt, der zu kleinen Taschen geformt war.
Aufmerksam betrachtete ich jede Münze, aber stellte fest, dass mir das jetzt nicht viel bringen würde. Ich fragte deshalb, ob ich die Münzen zeichnen dürfe und Raik nickte. Als er jedoch sah, wie ich mein Notizbüchlein und einen Bleistift zückte und anscheinend tatsächlich vorhatte, jede Münze einer Art mit Vorder- und Rückseite aufzuzeichen, begann er ungeduldig mit den Füßen zu scharren. „Wie lange wird das dauern?“
„Ich weiß nicht. Wie viele verschiedene Münzen sind das denn?“
„Weiß ich auch nicht, aber ich hoffe du machst schnell.“
„Du kannst dich ja so lange mit etwas anderem beschäftigen“, sagte ich unschuldig naiv.
Raik bedachte mich mit einem ungläubigen Blick und erklärte mir, dass er mich hier nicht allein lassen dürfe. Ja natürlich, was hatte ich denn gedacht? Also versuchte ich zügig zu zeichnen und Raik begann währenddessen gelangweilt mit einem Taschentuch die Schränke zu polieren. Inzwischen war er bei der Lampe im Raum angekommen, als er mit Erleichterung bemerkte, dass ich das Notizbuch und den Bleistift wieder einsteckte. Schnell verschloss er die Kästchen im Schrank und wir machten uns auf den Weg nach oben. Kaum betrat ich den Gang zur Eingangshalle, kam mir Neda entgegen.
„Ach da sind Sie!“ Während sie das sagte warf sie einen verlegenen Blick auf Raik. „Ich habe Ihnen das Notebook mitgebracht und in Ihrem Zimmer auf den Tisch gestellt.“
„Sehr schön. Vielen Dank.“ Ich wusste sehr genau, was ich als nächstes zu tun hatte.
***
Tagebucheintragung vom 10.11.1989
Es ist unfassbar, undenkbar, und wenn ich es nicht in den heutigen Berichterstattungen gesehen und von mehreren Seiten gehört hätte, könnte ich es tatsächlich nicht glauben – die Mauer ist offen. Unzählige sind bereits in der Nacht hinüber nach Westberlin, um ein Bier zu trinken, sich fotografieren zu lassen oder die Schaufensterauslagen anzuschauen. Ich hatte Nachtschicht und wollte diesem Gemunkel und den Gerüchten erst keinen Glauben schenken. Wer weiß, wer sich diesen Scherz ausgedacht und in Umlauf gebracht hat. Aber vielleicht träume ich das ja alles auch nur? In den Nachtschichten ist es manchmal schwer, Traum und Wirklichkeit auseinander zu halten, wenn der Körper zwar da ist, aber nach drei Uhr die Müdigkeit so groß wird, dass man sich mit dem Geist halb im hier und halb im nirgends befindet. Doch es ist wahr. Wenn es jeder sagt und jeder berichtet, dann muss es wahr sein. Meine letzten Zweifel werden allerdings erst beseitigt sein, wenn ich selbst drüben war und alles mit eigenen Augen gesehen habe. Es ist natürlich völlig unmöglich, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass Olga etwas mit der Sache zu tun hat. Sie läuft schon den ganzen Tag mit so einer zufriedenen und selbstgefälligen Miene umher. Und ich frage mich, wie es nun weitergehen wird, mit uns, der DDR und allem.
***
Zwei Tage waren sie bereits mit dem Schiff unterwegs, an denen Ferdinand misstrauisch um Peter und Wil herumgeschlichen
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