Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
Sinn machte, den Umhang der Spurensicherung zu geben. Viel würden die bestimmt nicht finden, aber einen Versuch war es sicher wert.
Er nahm sein Handy und informierte Staatsanwalt Reis. »Wir haben Johannes und Silke am Schreberbad gefunden. Benachrichtigen Sie die Eltern?«
»Mach ich sofort. Was ist passiert?«
»Das weiß ich auch noch nicht.« Sein Blick wanderte zu den Jugendlichen. »Aber das werden mir die jungen Leute hier bestimmt gleich erzählen.«
»Dann bin ich mal gespannt. Wir treffen uns im Präsidium. Und … gute Arbeit, Kroll!«
Herbeigeeilte Beamte wollten eine Decke um Johannes legen, aber Kroll hielt sie mit ausgestrecktem Arm davon ab. Wenn überhaupt noch Spuren an dem Umhang zu finden waren, sollten die nicht auch noch unbrauchbar gemacht werden. Er reichte Johannes die Hand und half ihm auf. Gemeinsam gingen sie zu einem VW-Bus, auf dem lautlos ein Blaulicht zuckende Blitze durch die Nacht warf.
Noch bevor Johannes sich setzen konnte, hielt Kroll ihn auf. »Wir müssen den Umhang zur KTU schicken.« Er reichte dem Jungen einen Plastikbeutel. »Steck den bitte hier rein. Decken haben wir ohne Ende. Du musst nicht frieren.«
Johannes tat kommentarlos, was Kroll ihm gesagt hatte. Nachdem er sich in eine der grüngrauen Decken mit der Aufschrift ›POLIZEI SACHSEN‹ gehüllt hatte, hockte er sich neben Silke an den kleinen Tisch des Busses.
Kroll setzte sich zu ihnen. »Wie geht’s euch?«
Johannes zitterte immer noch am ganzen Körper. »Es ist so schweinekalt. Ich bin immer noch ganz steif!«
»Jetzt erzählt mir bitte mal, was heute Abend los war.«
Johannes schien sich langsam wieder zu sammeln. Die Wärme der Decke und des Autos taten ihm gut. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
»Fang im Fitnessstudio an«, schlug Kroll vor.
Johannes schaute Silke kurz an und sah dann etwas beschämt auf den Boden. »Ich habe meine Übungen gemacht, eigentlich wie immer. Als ich in der Umkleidekabine war, ich wollte gerade duschen, da rief mich Silke an.« Er sah wieder kurz zu ihr. »Silke hat mir dann erzählt, dass sie mit Ludwig Schluss gemacht hat. Sie wollte noch mit mir reden und hat mir gesagt, dass sie schon kurz vor dem ›Fit and Form‹ ist. Ich habe dann meine Sachen schnell zusammengepackt und bin nach unten gegangen.«
Silke malte mit dem Finger Kreise auf den kleinen Tisch. »Im Schreberbad gibt es ein beheiztes Becken. Das ist so ein Treffpunkt von unserer Clique. Wir wollten einfach noch ein bisschen schwimmen gehen. Das war meine Idee. Vermutlich keine besonders gute.«
»Wir haben uns ausgezogen und sind dann ins Wasser«, fuhr Johannes fort. »Wir waren eigentlich nur mit uns beschäftigt. Haben an nichts anderes gedacht. Wir waren ja auch ganz allein.« Er drückte Silkes Hand. »Und als wir wieder rausgegangen sind, waren meine Klamotten und meine Tasche weg und da lag nur dieser komische schwarze Umhang.« Er lächelte freudlos. »Mir blieb gar nichts anderes übrig, als den anzuziehen.«
»Meine Sachen waren zum Glück noch da«, beeilte sich Silke einzuwerfen. »Aber ich konnte Johannes leider auch nicht helfen. Ich habe Größe 36. Wir saßen dann am Beckenrand und wussten gar nicht, was wir jetzt machen sollten. Wir haben dann erst mal gewartet. Es war schweinekalt! Zuerst dachte ich, Ludwig hat uns einen blöden Streich gespielt, er kannte den Treffpunkt ja schließlich auch.«
»Aber irgendwann wurde uns klar, dass Ludwig nicht dahintersteckt«, sagte Johannes. »Wir kennen den. Der wäre irgendwann aufgetaucht und hätte sich vermutlich kaputtgelacht oder uns angeschrien oder sonst was … , aber es kam niemand.«
Kroll stützte seinen Kopf auf die zusammengelegten Hände. Er wollte die Jugendlichen nicht unterbrechen.
Johannes’ Blick war weiterhin auf den Tisch gerichtet. »Und irgendwann kam dieser Hubschrauber mit den grellen Scheinwerfern. Deshalb haben wir uns in den Büschen versteckt.«
»Aber warum?«, fragte Kroll.
Silke war deutlich selbstbewusster als Johannes. »Es ist ja schließlich nicht erlaubt, sich nachts im Schreberbad aufzuhalten. Wir hatten einfach Schiss.«
Kinder, dachte Kroll. Da startet man eine große Suchaktion, und die Einzigen, die sich verstecken, sind die Gesuchten. »Aber ihr habt doch bestimmt Handys.«
Johannes sah Kroll zum ersten Mal an. »Ich war so aufgeregt nach Silkes Anruf … , mein Handy liegt irgendwo in der Umkleidekabine.«
Silke kramte ihr Handy aus den Jeans und hielt es hoch. »Akku
Weitere Kostenlose Bücher