Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
Kroll und Wiggins. Aber das waren sie schon gewohnt. Bald begannen die Feierlichkeiten zum Osterfest, und zum ersten Mal seit 800 Jahren würden die Thomaner nicht singen. Obwohl Kroll kein regelmäßiger Kirchgänger war, empfand er es als traurig. Er wusste, was dieses Fest und seine würdevolle Feier vielen Leipzigern bedeutete, und auch für den Chor war es mehr als schade.
»Dein Wodka ist gleich verflogen!«, riss ihn Wiggins aus seinen Gedanken.
Kroll hob sein Glas und prostete den anderen zu.
»Ich hab euch noch gar nicht zu euerm tollen Erfolg gratuliert«, sagte Wiggins anerkennend. »War einfach klasse, dass ihr die beiden wieder eingesammelt habt. Also, auf euer Wohl!«
»Ich hab gar nichts gemacht«, wiegelte Kroll ab. »Anja ist auf die Idee mit dem Schreberbad gekommen. Ich bin nur hinter Toni hergelaufen.«
»Ausgerechnet«, protestierte Anja. »Ich bin nur froh, dass ich nicht allzu sehr im Weg rumgestanden habe. Ihr seid ein tolles Team, und ich bin jetzt einfach nur happy, dass die Sache gut ausgegangen ist.«
»Also auf uns!«, schlug Wiggins vor.
Karfreitagmorgen
Kroll ging gegen neun Uhr ins Präsidium. In den Fluren und Büros herrschte nicht die übliche rege Betriebsamkeit. Schließlich war an einem Feiertag nur die Notbesetzung anzutreffen und er gehörte wohl dazu.
Wiggins saß an seinem Schreibtisch und blätterte in einer Akte, während neben ihm ein großer Pott Kaffee dampfte und den kargen Raum mit einem angenehmen Aroma füllte. »Ich nehme an, du hast Anja gestern noch sicher nach Hause gebracht«, begrüßte er seinen Kollegen.
»Aber so was von sicher. Da hätte kein böser Verbrecher eine Chance gehabt!«
»Stand dieser Stalker wieder vor der Tür?«
Kroll schüttelte den Kopf. »Ne, ich glaube, das hat sich auch erledigt. Hoffe ich zumindest.«
Er wechselte das Thema. »Gibt es etwas Neues von Max?«
Wiggins schüttelte den Kopf. »Sein Zustand ist unverändert ernst, aber nicht schlimmer geworden. Die Ärzte versuchen verzweifelt, diesen Keim in den Griff zu bekommen, aber bislang haben sie nichts gefunden. Alle warten auf die erlösende Nachricht, dass endlich ein Medikament anschlägt. Keiner weiß, wie lange das noch dauert.«
»Und, was machen wir jetzt?«, fragte Kroll beiläufig, während er sich an der Kaffeemaschine zu schaffen machte.
Wiggins blätterte wieder in der Akte. »Ich glaube, wir haben zwei Anhaltspunkte. Zunächst müssen wir überprüfen, wer alles wusste oder, besser gesagt, wissen konnte, dass sich Johannes mit Silke trifft, und dann müssen wir natürlich im Auge behalten, wie unsere Geschichte mit Ritter Harras weitergeht. Viele Möglichkeiten gibt es da nicht mehr.«
»Gut«, bestätigte Kroll. »Immer der Reihe nach. Fangen wir mal mit Johannes und Silke an.«
Wiggins ließ sich in seinen Bürostuhl zurückfallen und kaute an einem Bleistift. »Wenn mich nicht alles täuscht, hat Johannes die gute Silke seinem Freund Ludwig ausgespannt. Wir können also nicht davon ausgehen, dass sie das vielen Leuten erzählt haben. So etwas hängt man doch nicht an die große Glocke.«
»Ludwig hat vielleicht mit seinem Vater darüber gesprochen«, dachte Kroll laut nach.
»Wir müssen dieser Spur endlich mal nachgehen«, blieb Wiggins beharrlich. »Bei dieser Person stellen sich inzwischen zu viele Fragen. Wir brauchen schließlich mal Antworten.«
Kroll knallte seinen Kaffeepott auf den Schreibtisch und griff nach seiner Jacke. »Schauen wir mal bei Georg vorbei. Der und sein Freund sind doch immer bestens informiert. Die können uns auch erzählen, mit wem Johannes so alles über seine Liebesabenteuer geredet hat.«
Georg saß gemeinsam mit seinen Eltern, seinem kleinen Bruder und Paul Holzhund an dem großen Küchentisch im Haus der Familie Schießer. Paul und Georg schienen, zumindest in diesen Tagen, unzertrennlich zu sein. Kroll und Wiggins wurden freundlich empfangen und gebeten, in die Küche mitzukommen. Sie setzten sich dazu und nahmen das Angebot einer Tasse Kaffee gern an.
Die Polizisten erkundigten sich, ob die Jungen schon erfahren hätten, was mit Johannes und Silke passiert war. Die beiden nickten stumm. Kroll konnte beobachten, dass Georgs Vater dies mit einem milden Lächeln kommentierte, wohingegen Georgs Mutter alles andere als einen entspannten Eindruck machte.
»Und darf man fragen, woher ihr das erfahren habt?«, fragte Wiggins in einem leicht genervten Ton.
Georg tauchte verlegen sein angebissenes Brötchen in
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