Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
den Kaffee. Er suchte kurz Blickkontakt mit seinem Vater und schaute dann beschämt auf seinen Teller. »Wir haben heute schon mit Johannes telefoniert«, gestand er leise. »Und dabei hat er uns alles erzählt.«
»Und warum habt ihr bei Johannes angerufen?«, fragte Kroll erstaunt. »Einfach so? Weil ihr euch mal nach dem Wetter erkundigen wolltet?«
»Wir wollten ihm sagen, dass wir sein Handy haben, und haben ihn gefragt, ob wir es ihm bringen sollen«, murmelte Paul mit kaum hörbarer Stimme.
Wiggins schien vom Glauben abzufallen. » Ihr habt Johannes’ Handy? Ist das euer Ernst? Könnt ihr uns mal bitte freundlicherweise erklären, wie ihr an Johannes’ Handy gekommen seid?«
Georg und Paul sahen sich an. Offensichtlich waren sie sich nicht einig, wer die Geschichte weitererzählen sollte. Schließlich entschied sich Georg, wieder das Wort zu ergreifen. »Also, der Onkel von Paul ist doch so ein Theologe. Und Paul hat sich gedacht, wir sollten lieber doch einmal nachfragen, ob in der Bibel etwas von Abnehmen drinsteht. Ich hätte das ja nie im Leben für möglich gehalten.«
»Und dabei habt ihr von Johannes dem Täufer erfahren«, half ihnen Kroll auf die Sprünge.
Georg nickte. »Wir wissen natürlich, dass Johannes an jedem Donnerstag im Fitnessstudio die Eisen fliegen lässt, wie er sich immer ausdrückt. Also sind wir da hin.«
Paul entschloss sich, jetzt das Wort zu übernehmen. »Es war so gegen halb zehn, als wir beim Fitnessstudio in der Stadt angekommen sind. Wir haben zuerst geguckt, ob wir Johannes’ Fahrrad finden. Das war direkt vor dem Eingang angekettet. Dann haben wir unsere Fahrräder auch angeschlossen und wie durch Zufall hat sich Georg noch mal umgesehen. Und dann ist uns der Schreck in die Glieder gefahren, als wieder der Mann um die Ecke kam. Wir sind dann sofort abgehauen.«
»Welcher Mann?«, fragte Kroll aufgeregt.
»Der ZZ Top«, flüsterte Paul.
»Kann mir mal bitte jemand erklären, wovon die Kinder die ganze Zeit reden?«, wurde jetzt Georgs Vater ungeduldig.
»Bitte, Herr Schießer«, versuchte Kroll ihn zu beruhigen. »Das ist eine lange Geschichte und ich weiß nicht, ob wir so viel Zeit haben. Ich bin mir aber ganz sicher, dass Ihnen unsere beiden Freunde gleich alles erzählen werden. Also, Georg, was ist dann passiert?«
»Wir haben uns hinterm Haus versteckt und erst einmal durchgeatmet. Wir haben natürlich versucht, Johannes anzurufen, aber da war immer besetzt.«
Georg sah Kroll mit einem Blick an, der die Verzweiflung der Jungen am gestrigen Abend erahnen ließ. »Wir haben dann versucht, Sie anzurufen, aber es ist keiner drangegangen.«
Kroll bekam ein schlechtes Gewissen. Das musste der Anruf gewesen sein, der ihn erreichte, als er mit Anja auf dem Sofa lag.
»Wir haben dann unseren ganzen Mut zusammengenommen und sind hoch ins Studio. Aber Johannes war nicht mehr da. Dann habe ich noch mal versucht, Johannes anzurufen, aber in der Umkleidekabine klingelte nur das Handy. Es lag mitten auf der Bank.«
»Habt ihr euch denn keine Sorgen gemacht?«, wollte Wiggins wissen.
»Zuerst ja«, antwortete Paul verlegen. »Aber dann haben wir uns auf Johannes’ Handy mal die Rubrik ›Anrufe‹ näher angesehen. Und da war mindestens 20 Mal der Name Silke drauf. Da war uns natürlich alles klar.«
»Wir sind dann zum Schreberbad«, meldete sich wieder Georg. »War wirklich nicht schwer zu erraten.«
»Warum nicht schwer zu erraten?«, hakte Kroll nach.
Georg sah wieder auf seinen Teller. »Silke hatte das in einer SMS vorgeschlagen.«
Paul beeilte sich weiterzuerzählen, bevor die Polizisten Gelegenheit hatten, das heimliche Lesen der fremden Post zu kommentieren. »Dort haben wir sie dann im Schwimmbad gesehen. Wir haben nur über den Zaun geguckt, dann sind wir wieder abgehauen.«
»Habt ihr noch jemanden gesehen?«
Die Thomaner schüttelten synchron die Köpfe.
Kroll brauchte einen Moment, um die neuen Informationen zu ordnen. »Wer wusste noch von Silke und Johannes?«
»Keine Ahnung«, sagte Paul. »Bestimmt nicht viele. So lange ging das ja noch nicht.«
»Und was ist mit Ludwig?«, wollte Wiggins wissen. »Wusste der von den beiden?«
Paul kaute auf seiner Unterlippe, während er überlegte. »Na ja. Silke wird schon mit ihm Schluss gemacht haben. Da bin ich mir ganz sicher. Aber ob sie Ludwig gleich was von ihrem Neuen erzählt hat, keine Ahnung.«
»Auf der anderen Seite«, ergänzte Georg, »war es jetzt auch nicht das supergroße
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