Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
Kroll einen Moment an. Kroll kannte den Blick: Große Scheiße, wie sollen wir jetzt mit der Situation umgehen?
Er sammelte sich. Seine Sorge ließ sich nun nicht mehr überspielen. »Sie haben eine Sporttasche und Bekleidung gefunden. Die Beschreibung passt auf Johannes’ Sachen.«
Frau Weiding sackten die Knie weg. Wiggins reagierte schnell und konnte sie mit einer Blitzaktion aufs Sofa hieven. Johannes’ Vater sprang auf und rannte zu ihr. Er zitterte am ganzen Körper. »Es wird alles gut … , es … bestimmt wird alles gut«, stammelte er monoton.
Staatsanwalt Reis griff nach seinem Handy. »Ich hole einen Arzt.«
»Einen Moment noch«, unterbrach ihn Kroll. »Wo haben sie Johannes’ Sachen gefunden?«
»An der Aral-Tankstelle Marschnerstraße, in der Nähe der Einfahrt.«
»Ich fahre dahin.«
Die Marschnerstraße war im Bereich der Tankstelle großzügig abgesperrt. Kroll stellte den Dienstwagen vor dem Flatterband mit der Aufschrift ›Polizeiabsperrung‹ in der Käthe-Kollwitz-Straße ab und ging mit Anja zu Fuß zur Fundstelle. Die Marschnerstraße wurde mit großen Scheinwerfern ausgeleuchtet. Eine Hundestaffel suchte jeden Quadratmillimeter der näheren Umgebung ab, getrieben von der Hoffnung, eine brauchbare Spur zu finden, und begleitet von der Angst, die Leiche eines Kindes zu entdecken.
Kroll fand die Stelle, an der die Tasche und die Kleidungsstücke lagen, sofort. Ein Beamter der Spurensicherung in einem weißen Overall untersuchte die Fundstücke, während ein uniformierter Beamter im respektvollen Abstand die Prozedur beobachtete. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt.
Kroll begrüßte ihn, indem er ihm auf die Schulter schlug. »Hallo, Holger. Was habt ihr rausgefunden?«
Der uniformierte Beamte zeichnete mit ausgestrecktem Arm einen Halbkreis. Seine Stimme klang resigniert. »Herausgefunden?«, er sah Kroll an. »Guck dir doch mal an, wie weit die Klamotten hier verstreut liegen. Die hat einer aus dem fahrenden Auto rausgeworfen, dafür brauche ich keine Spusi. Das erklärt auch, warum die Hunde keine Spur finden. Da können die suchen, bis die schwarz werden, wenn du mich fragst.«
»Ich fürchte, da hast du recht«, murmelte Kroll, während er zum Beamten der Spurensicherung ging. »Habt ihr was Brauchbares für mich?«
Der Mitarbeiter war nicht begeistert, dass Kroll im Spurenfeld stand. Er verkniff sich jedoch eine Bemerkung. »Sieh dich doch mal um, Kroll. Es sind ganz normale Kleidungsstücke. Bislang keine Besonderheiten.«
Kroll atmete einmal durch. »Habt ihr Blut an der Kleidung des Jungen gefunden?«
Sein Kollege schüttelte den Kopf. »Nein, bis jetzt nicht. Ich bin mir auch sicher, dass aus der Richtung nichts mehr kommt. Ich bin mit der Untersuchung der Kleidung fast fertig.«
»Sonst was, Sperma oder andere Flüssigkeiten?«
»Negativ«, war die knappe Antwort. »An den Jeans sind auffällig viele Grasspuren, die stammen bestimmt nicht von hier. Sieht aus, als hätte der Junge im Gras gesessen.«
Kroll dachte einen Moment nach. »Johannes hat gegen 21 Uhr das Fitnessstudio verlassen. Davor hat er gut eine Stunde trainiert. Kannst du mir sagen, ob die Grasspuren vorher oder nachher an die Hose gekommen sind?«
»Definitiv nachher. Die Halme sind noch richtig saftig und … «, er griff mit seinen behandschuhten Händen nach den Jeans, »… hier haben wir eine frische und feuchte Stelle im Gesäßbereich mit reichlich Chlorophyll. Die wäre längst trocken, wenn die Durchfeuchtung vor halb acht Uhr eingetreten wäre. Definitiv!«
»Also hat der Junge nach dem Training noch im Gras gesessen«, dachte Kroll laut nach. »Was ist mit der Sporttasche?«
»Ich bin noch nicht so weit.«
»Räum die mal aus!«
»Aber doch nicht hier! Das machen wir im Präsidium unter sterilen Bedingungen.«
Kroll holte sein Handy aus der Hosentasche und zeigte es demonstrativ dem Kollegen. »Brauchst du eine persönliche Anweisung von Staatsanwalt Reis?«
»Du und der Reis«, brummte der Kollege. »Da werden immer alle Vorschriften ausgehebelt und wir können die Scheiße nachher auslöffeln.«
Er ging zu einem kleinen Metallkoffer und holte eine weiße Plane heraus, breitete sie vor sich aus und begann, die Sporttasche auszuräumen: Turnschuhe, Sportsocken, eine zerknüllte Trainingshose, ein nasses T-Shirt, eine Unterhose, ein frisches Handtuch, Duschgel und Shampoo.
»Bist du jetzt zufrieden?«
Kroll gab keine Antwort und ging wieder zu dem uniformierten
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