Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
können mir glauben, mein Fahrer ist ein absolut loyaler und zuverlässiger Mann, auch wenn er verboten aussieht.«
Kroll und Wiggins tauschten Blicke. Gut, dass ich auf die Bremse getreten bin, sagte Kroll ohne Worte seinem Kollegen.
Wiggins nahm das Gespräch wieder auf, die Aggressivität war jedoch vollständig aus seiner Stimme gewichen. »Und dann war es wahrscheinlich auch nur ein dummer Zufall, dass Ihr Fahrer vor dem Fitnessstudio war, als Johannes verschwunden ist.«
»Es interessiert mich nicht, was meine Mitarbeiter in ihrer Freizeit machen, aber es dürfte nicht allzu außergewöhnlich sein, dass jemand abends durch die Innenstadt geht.«
Kroll wollte das Gespräch beenden. »Na dann. Haben Sie vielen Dank, Herr Dr. Fleischer. Ich hoffe, wir haben Ihre knappe Freizeit nicht zu sehr beansprucht. Wir bräuchten natürlich noch Namen und Anschrift Ihres Fahrers.«
Dr. Fleischer gab ihnen die gewünschten Informationen. »Aber ich bitte Sie. Ich stehe gern zu Ihrer Verfügung, auch in der Zukunft.«
»Und? Hast du Ludwigs Vater immer noch im Verdacht?«, frotzelte Kroll, als sie wieder im Auto saßen. »Ist doch manchmal gut, dass dein Partner mit dem großen Taktgefühl die Kirche ein bisschen im Dorf lässt, bevor sein übereifriger Kollege gleich Hausdurchsuchungen bei hiesigen Wirtschaftsbossen veranlasst.«
Wiggins wollte sich nicht so leicht geschlagen geben. Er tippte auf seinem Handy. »Jetzt überprüfen wir erst einmal die Sache mit der Spende. Das hätte uns der liebe Herr Pfarrer doch sicherlich erzählt.«
Pfarrer Brecht nahm nach einem kurzen Klingeln ab. Wiggins kam gleich zum Thema. »Guten Tag, Herr Pfarrer. Wir bräuchten mal eben schnell eine Auskunft von Ihnen. Befand sich an dem Tag, an dem die Lilien in der Thomaskirche lagen, eine größere Geldspende im Opferstock?«
Kroll beobachtete Wiggins, der eine längere Pause machte. Pfarrer Brecht gab eine ausführliche Auskunft.
»Und warum haben Sie uns das nicht erzählt? Immerhin ist die Geldspende in unmittelbarem Zusammenhang mit einer kriminellen Aktion aufgetaucht.«
Wiggins hörte noch eine Weile zu. Dann beendete er das Gespräch und wandte sich Kroll zu. »Dr. Fleischer, oder besser gesagt, sein Fahrer, hat tatsächlich 10.000 Euro in den Opferstock gequetscht.«
»Und warum hat uns der Herr Pfarrer bisher nichts davon erzählt?«
»Wollte er angeblich gerade machen«, feixte Wiggins.
»Wer’s glaubt, wird selig.«
Wiggins wechselte das Thema. »Sag mir lieber, wie wir jetzt weitermachen.«
»Was war die nächste Aufgabe in der Harras-Sage?«
Wiggins holte wieder den Zettel aus der Innentasche seines Jacketts. »Die Aufgaben sind eigentlich alle ausgeführt. Die Aktion mit Johannes war die letzte. Jetzt kommt nur noch dieser Schlusssatz des Teufels: Erst dann könne er das Kind des Teufels töten und die Schuld sei erlassen.«
Kroll hielt den Wagen auf dem Parkplatz vor dem Präsidium an. »Das macht unsere Situation auch nicht einfacher. Die Aufgaben bis hierhin waren ja alle mehr oder weniger harmlos. Aber jetzt wird zum ersten Mal die Tötung eines Kindes angesprochen. Spätestens jetzt hört der Spaß für mich endgültig auf.«
Kroll ließ den Motor wieder an. »Wir fahren gleich noch zu Callidus. Heute Abend will ich alle Mütter der Thomaner sprechen. Ist schließlich Feiertag, da müssten die ja Zeit haben.«
Karfreitagabend
Der große Probensaal des Alumnats war bis auf den letzten Platz gefüllt. Obwohl der Alumnatsleiter bei den telefonischen Einladungen darauf hingewiesen hatte, dass es völlig ausreichend sei, wenn nur die Mütter der Thomaner erscheinen würden, waren mehr als ein Viertel der anwesenden Personen Männer.
Dr. Callidus hatte mit zwei einfachen Tischen ein kleines Podium aufgebaut, hinter dem Kroll, Wiggins, er selbst und auch der Thomaskantor Platz nahmen. Anja Gans hatte sich zu den Eltern gesetzt.
Der Geräuschpegel im Saal war hoch. Die Eltern unterhielten sich angeregt untereinander, ein Zeichen für große Unruhe.
Als Dr. Callidus sich erhob, wurde es schlagartig still. »Liebe Eltern der Thomasser! Zunächst möchte ich mich für die kurzfristige Einladung entschuldigen und Ihnen aber gleichzeitig danken, dass Sie trotz der Kürze der Zeit so zahlreich erschienen sind.«
Er drehte sich mit einer ausladenden Handbewegung zu Kroll und Wiggins. »Ich darf Ihnen zunächst die Herren neben mir vorstellen, die Hauptkommissare Kroll und Wiggins.«
Kroll und Wiggins nickten
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