Goldmacher (German Edition)
sich, dass auch Anton an der Beerdigung Huberts teilnähme, und Anton flog, schon wegen ihrer gemeinsamen Geschichte, wie er sagte, nach München. Wie gegensätzlich jedoch das Gemeinsame dieser Geschichte auf ihre Familien eingewirkt hatte, wurde Anton schlagartig wieder bewusst, als er vor dem Friedhof eine Gruppe junger Männer und Frauen mit einem Transparent aus grobem Packpapier bemerkte. In schwarzer Farbe, schon von Weitem deutlich erkennbar, las er darauf den Namen des Verstorbenen. Das Z im Familiennamen Münzer war durchgestrichen und, auch das erkannte Anton deutlich, von zwei S-Buchstaben darüber, in der Schreibweise der Waffen- SS , ersetzt.
Antons Blick wanderte sofort zu Franz, und er sah, wie der, mit Alexandra, Rosi und seinen Töchtern in der ersten Reihe des langen Trauerzugs dem Sarg folgend, unmittelbar von dem Impuls gepackt wurde, das Transparent zu zerreißen. Und wie sich in ihm, nicht zuletzt durch Alexandra, die nach seinem Arm gegriffen hatte, die Einsicht durchgesetzt haben musste, dass es ihm nicht gelingen würde, etwas zu ändern. Er zwang sich, die Gruppe mit dem Transparent zu ignorieren. Was die Trauergesellschaft auch versuchte, ihr jedoch nicht gelang, die meisten schielten immer wieder zu der Gruppe. Doch nur vereinzelt drückte jemand, wie der Mann, der vor dem Plakat ausspuckte, Protest aus, die große Mehrzahl schwieg betreten, empört oder irritiert.
Umso ausführlicher beschäftigten sich auf der anschließenden Trauerfeier Franzens Töchter, vor allem Lexa und Franzi, mit der Gruppe und dem Transparent. Es kam zu einem Streit, nicht nur zwischen Franz und seinen Töchtern, die ihm vorwarfen, nie Licht ins Dunkel der Familiengeschichte gebracht zu haben, auch die ältere Generation, Weggefährten und Geschäftsfreunde von Hubert, mischte sich ein und erregte sich über Kommunisten und linkes Gesindel. Bis Rosi zornig darauf hinwies, man befinde sich auf einer Trauerfeier und nicht auf einer politischen Veranstaltung. Danach löste sich die Trauergesellschaft recht schnell auf.
Anton flog noch am selben Abend nach Hamburg zurück. Franz brachte ihn zum Flughafen.
»Hast du gehört, was meine Töchter von mir verlangt haben?«, fragte er Anton, der verneinte, er hatte sich mit Alexandra fernab von der Feier im Wintergarten über Friedrich Tausch, den Goldmacher, unterhalten.
»Ich hätte Licht ins Dunkel der Familiengeschichte bringen müssen, haben sie mir erklärt. Und wie hätte ich das tun können?! Hätte ich über Detektive die Vergangenheit meines Vaters auskundschaften sollen?«, rief er aufgebracht.
»Daran wirst du dich gewöhnen müssen, Franz, jetzt sind wir die Schuldigen, nicht mehr unsere Väter«, sagte Anton mit einem ironischen Lächeln, das Franz so noch nie zuvor aufgefallen war, immer lauerte sonst der Schalk in Antons Augen.
»Wir die Schuldigen?«, wiederholte Franz fragend und sah Anton verwundert an, »aber du doch nicht?!«
5.
Der Artikel mit dem Foto, der in einer Lokalzeitung erschienen war, landete bei Hans-Ulrich auf dem Schreibtisch. Das Foto zeigte im Hintergrund die Gruppe mit dem Transparent, im Vordergrund einen der Trauergäste. Die Bildunterschrift wies die Gruppe als Studenten aus und den Trauergast als Anton Bluhm. Der Autor des Artikels hatte die Provokation des doppelten S beschrieben und prominente Trauergäste genannt, unter ihnen Anton.
Hans-Ulrich stürmte, die Lokalzeitung mit dem Artikel in der Hand, aus seinem Zimmer, den Flur hinunter und in Antons Büro, wo er die Zeitungsseite vor Anton ausbreitete. Er habe ihn doch bereits vor vielen Jahren gewarnt, sich von den Münzers fernzuhalten.
Anton schaute verdutzt auf den Artikel, beugte sich dann vor und betrachtete aufmerksam die Aufnahme. Er selbst war deutlich zu erkennen und ebenso deutlich die Gruppe mit dem Transparent.
Was der alte Münzer denn eigentlich getan habe, wollte Anton jetzt wissen. Hans-Ulrich wich aus, er verfüge über keine genaueren Informationen, der Alte sei als Bankdirektor Parteimitglied und von den Amis interniert gewesen.
»Was hat es mit dem Nazigold auf sich?«, fragte Anton und bemerkte, wie Hans-Ulrich zusammenzuckte.
»Davon habe ich auch gehört«, sagte er, und auch bei Franz nachgefragt, aber keine Auskunft bekommen.
»Franz weiß bestimmt mehr darüber«, log Hans-Ulrich weiter und versuchte herauszubekommen, ob Anton vielleicht etwas über das Nazigold wisse. Gleichzeitig überlegte er, ob er nicht Anton jetzt über die
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