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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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Hans-Ulrich konnte sein Gesicht nicht sehen und wurde ungeduldig, weil Anton überhaupt nicht reagierte. Sein Zögern hatte Hans-Ulrich schon in den Anfängen kennengelernt, Anton war kein Mann überstürzter Entschlüsse, das wusste er, und dennoch konnte er jetzt nicht länger geduldig auf Antons Entscheidung warten und rief nun warnend: »Mein Instinkt sagt mir, wir müssen handeln. Wir müssen sofort handeln!«
    Aber Anton reagierte nicht.
    »Du glaubst, ich übertreibe, ich sauge mir das alles aus den Fingern?«, polterte er ungewohnt heftig los. Anton blickte verwundert auf.
    »Du glaubst mir nicht? Ich sage dir, dass es brenzlig werden kann für das Blatt. Und damit auch für dich, denn das Blatt, das bist immer noch du!«
    Anton beugte sich erneut über die Beweisstrecke, er schien sich nicht wirklich dafür zu interessieren und in Gedanken mit Wichtigerem beschäftigt zu sein.
    Plötzlich war sich Hans-Ulrich nicht mehr sicher: War er wirklich auf der richtigen Spur? Hatte er vielleicht aus einer Mücke einen Elefanten gemacht und sich damit lächerlich gemacht?
    »Ich werde noch einmal darüber nachdenken«, murmelte er verunsichert und sammelte hastig sein Beweismaterial zusammen. Anton hinderte ihn nicht daran, er nickte nur.
    Erst als er im Vorzimmer an Leni vorbeiging, stieg ein alle Verschwörungsbedrohungen übertrumpfender, übermächtiger Wunsch in Hans-Ulrich auf, wieder der Hund zu sein, der seinem Herrn die Beute bringt: die richtige Beute. Er verschloss das Beweisdossier in seinem Schreibtisch.
    Am Abend fuhr er mit dem Taxi nach Hause. Veronika hatte ihn darum gebeten, weil dichter Nebel herrschte. Tatsächlich gab es vor seinem Fenster keine Sicht mehr. Er hatte es nicht bemerkt, obwohl aus dem Hafen seit Längerem das dumpfe Tuten der Nebelhörner zu hören war. Hans-Ulrich hatte es überhört, er war in Gedanken mit Anton beschäftigt.
    Vor seiner Haustür angekommen, blickte er dem abfahrenden Taxi hinterher. Nur kurz waren die Umrisse des Wagens noch zu erkennen, dann glühten die Rücklichter durch den Nebel und schon war das Fahrzeug im undurchsichtigen Grau verschwunden, wie verschluckt. Hans-Ulrich ging durch den schmalen Vorgarten zum Haus und sann dabei über den Nebel als Sinnbild für die aktuelle undurchsichtige Situation im Blatt nach. War es jetzt nicht seine vordringlichste Aufgabe, diese Nebelwand zu durchschreiten, um nicht nur für Klarheit zu sorgen, sondern den allgemeinen Wandel aufgreifen und das Blatt im Neuland verorten zu können?

6.
    Einige Stunden später blinzelte Veronika durch die Dunkelheit zum Wecker auf ihrem Nachttischchen. Die phosphoreszierenden Uhrzeiger standen auf halb drei. Sie streckte den Arm aus und tastete mit der Hand über die Bettdecke nach Hans-Ulrich, der nicht im Bett lag.
    Sie knipste die Nachttischlampe an und stand auf, zog ihren Morgenmantel über das Nachthemd, öffnete die Schlafzimmertür und hörte Musik, die ihr entgegendröhnte, als sie die Tür zu Hans-Ulrichs Arbeitszimmer öffnete.
    Sie blieb an der Schwelle stehen und durch Rauchschwaden hindurch sah sie ihn an seinem Schreibtisch sitzen. Vor ihm stand eine Flasche Rotwein und ein halb leeres Glas, daneben lag die qualmende Havanna-Zigarre im Aschenbecher, Zeichen und Ausdruck Hacker’scher Hochstimmung. Aus den Lautsprechern vibrierte, für Veronika ganz ungewohnt, Popmusik. Seit dem Swing seiner frühen Jugend höre er, hatte Hans-Ulrich ihr gleich zu Beginn ihrer Beziehung erklärt, nur noch selten U-Musik und lieber E-Musik, wie er die beiden Musikarten, die ernste und die unterhaltende, unterschied.
    Der Tabakqualm reizte ihre Stimmbänder und Veronika hustete, erst da bemerkte Hans-Ulrich sie. Sofort schoss er von seinem Sitz hoch, umtanzte seine Frau nach » Sympathie for the devil« von den Rolling Stones mit skurrilen Verrenkungen, begleitete dabei die Backstagesänger mit lauten Huh-huh-Rufen, unterstrich seinen Huh-huh-Gesang noch mit links und rechts vom Kopf zu Teufelshörnern aufgestellten Zeigefingern. Veronika ließ sich von seiner Laune anstecken, sie tanzte mit.
    Erst als das Stück zu Ende war, stellte er die Musik etwas leiser, reichte ihr das halb volle Weinglas, griff nach der Rotweinflasche und stieß mit ihr, vom wilden Tanz ganz außer Atem, an: »Auf das neue Hacker’sche Zeitalter!«, sagte er und nahm einen ausgiebigen Schluck.
    Am nächsten Morgen trieb ihn seine Idee von einem neuen Hacker’schen Zeitalter, obwohl er noch müde war von seinem

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