Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
Vom Netzwerk:
der Tabletten nicht gewohnt war, hellte sich bereits nach der Einnahme einer einzigen Pille der dunkle Horizont auf. Kaum hatte er sie geschluckt, gewann er fast augenblicklich wie durch ein Wunder neuen Lebensmut. Nur, er verschwand auch wieder, wenn er keine Pille einnahm. Und bald auch schon dann, wenn er nur eine Pille eingenommen hatte, also nahm er zwei Pillen ein, aus denen schließlich drei Pillen wurden, denn er brauchte mehr Lebensmut. Parallel mit dem anwachsenden Lebensmut wuchs in ihm der Wunsch nach einer, wie er sich Leni gegenüber ausdrückte, weiblichen Möblierung seines Heims, schon wegen der Zwillinge. Er nenne die Aufnahme vielleicht auch mehrerer Mitbewohnerinnen in seinen Haushalt Möblierung, weil er auf gar keinen Fall eine Beziehung eingehen wolle, das sei nach Sissi völlig ausgeschlossen.
    Leni, die längst nicht mehr nur Antons Sekretärin war, sondern seine Büroleiterin und mit Sissis Tod neben der Organisation des Büros auch fürs Private zuständig geworden war, erkannte Anton nicht wieder, wie sie Hans-Ulrich, trotz der mittlerweile institutionalisierten Eifersüchtelei zwischen ihnen, anvertraute.
    Hans-Ulrich riet Anton nun zu einem Wechsel des Präparats, überhaupt zum Prinzip des Wechselns, weil man sich sonst gewöhne und eine immer höhere Dosis nötig sei.
    »Das klingt vernünftig«, sagte Anton. In Wahrheit jedoch wollte er nicht vernünftig sein, und so wechselte er die Pillen nicht, er kombinierte sie, zu der einen Sorte nahm er nun noch die andere.
    Moritz und Simon, anfangs erleichtert über Antons aufgehellte Stimmung und sein neues Verständnis für ihre Bedürfnisse, zu feiern und tanzen zu gehen, merkten recht bald, wie schwankend die Aufhellung war. Und wovon sie sich nährte: Im Badezimmer fanden sie die angebrochenen Pillenpackungen. Sie lasen die Beipackzettel und warfen die Packungen in den Mülleimer, was nur dazu führte, dass die Pillenpackungen ersetzt wurden. Sie wagten nicht, mit dem Vater darüber zu reden, sprachen aber unter dem Siegel der Verschwiegenheit mit den Mitbewohnerinnen, den Freundinnen des Vaters, und auch mit Lexa darüber. Alle zeigten sich besorgt, vor allem Lexa, aber es änderte sich nichts, niemand wies Anton auf seine gefährliche Gewohnheit hin, wagte, offen mit ihm zu reden.
    Schließlich versuchte Franz, von Lexa dazu gedrängt, mit Anton zu telefonieren, doch Anton ließ sich von Leni verleugnen, zu Hause ging er nicht mehr ans Telefon. Er könne nach seinem Unfall noch nicht reisen, er würde sich sonst sofort auf den Weg machen und dem Vater die Pillen ausreden, versicherte Franz in einem Brief an Moritz und Simon.
    Als die beiden nach ihrem Abitur das Haus verließen, um in Berlin zu studieren, verschlimmerte sich Antons Abhängigkeit noch mehr, er rüstete sich gegen den Angriff der noch größeren Leere im Haus mit einem noch größeren Einsatz von Pillen.
    Veronika redete auf ihn ein, das Haus zu verkaufen und vom einsamen Vorort in die belebtere Innenstadt umzuziehen. Niemals!, sagte er jedes Mal, er würde Sissi niemals verlassen. Selbst Judith, die ihn öfter besuchte und auf seinen Wunsch über Nacht und manchmal auch für mehrere Tage blieb, drang nicht zu ihm hindurch. Entweder überdrehte er und sang ihr abends die Rheinlieder vor, auch die Zarah-Leander-Lieder, schmetterte sogar die früher nur geheim ins Lächerliche imitierten Führer-Sprüche, oder er schlief mitten in der Unterhaltung, die dann recht einseitig von Judith geführt wurde, ein. Sie meinte schließlich, Anton wolle nichts mit sich selber zu tun haben, wolle sich selbst vergessen. Sie sagte es ihm. Erst nickte er nur, dann huschte jenes altvertraute, ironisch schalkhafte Lächeln über sein Gesicht, und er stimmte Judith zu. Ja, so müsse es sein, er sei nach Sissis Tod ein anderer geworden.
    Berührt vom einst so vertrauten Lächeln, das so schnell, wie es aufgetaucht war, wieder verschwand, wollte Judith ihm sagen, dass er unter dem Einfluss von Pillen stünde, aber sie brachte es nicht über die Lippen, wagte nicht, ihm seinen Rettungsanker, die Pillen, auszureden.
    Eines Tages saß Lexa bei Leni im Vorzimmer, als Anton am späten Nachmittag ins Büro kam. Sie erschrak so heftig, als sie ihn sah, dass sie aufsprang, auf ihn zuging und ihn erschrocken fragte, ob er krank sei.
    »Krank?!«, wiederholte Anton.
    Selber erschrocken, verließ Anton gleich darauf wieder sein Büro und kehrte nach Hause zurück, er wünschte von seinen Mitbewohnerinnen

Weitere Kostenlose Bücher