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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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Teppichboden und verpasste ihm einen Fußtritt, sodass er durch den Raum wirbelte, schließlich kippte, sich um sich selbst drehte und dabei seinen Inhalt über die helle Auslegware verstreute. Wie auf einen verhassten Feind, der am Boden liegt, ging er jetzt auf ihn zu und versetzte dem Karton einen weiteren Fußtritt. Er flog herum und schleuderte nun seinen Restinhalt heraus. Einen Augenblick zögerte Hans-Ulrich noch, doch dann, erst zaghaft, bald immer entschiedener, begann er auf recht kindische Weise mit beiden Schuhen auf ihnen herumzutrampeln, auf den Buttons und den Stickers und den Anstecknadeln: auf seinen Erinnerungen. Und je länger er auf ihnen herumtrampelte und sie zertrampelte, umso besser fühlte er sich. Er wollte mit diesen Erinnerungen keinesfalls sein zukünftiges Leben ausstaffieren. Auf den Müll damit!
    Nach getaner Arbeit schloss Hans-Ulrich die Tür wieder auf und verließ sein jetzt ehemaliges Büro. In seinem Vorzimmer, das in wenigen Minuten sein ehemaliges Vorzimmer sein würde, bat er seine Sekretärin, die Umzugskartons zu entsorgen.
    »Alle?«, fragte sie.
    »Ausnahmslos«, antwortete Hans-Ulrich und gab seiner nun ebenfalls ehemaligen Sekretärin zum Abschied die Hand.
    »Man sieht sich«, sagte er und machte sich auf den Weg zu seiner Verabschiedung, die im großen Konferenzraum im obersten Stockwerk stattfand.
    »Ich gehe und du kehrst zurück«, hatte er zu Anton gesagt und sich noch immer um eine spöttisch amüsierte Miene bemüht, »für dich gilt also keine Altersgrenze.«
    Man würde im Blatt durchaus auch ohne ihn zurechtkommen, so wie man auch ohne ihn, Hans-Ulrich Hacker, zurechtkäme, doch er habe einen triftigen Grund, hatte Anton behauptet.
    »Ach«, hatte er nur gesagt, weiter den Spöttelnden gespielt und gefragt, welchen triftigen Grund es für Anton denn gebe, an seinen Schreibtisch zurückzukehren.
    »Unsere Zukunft«, hatte Anton geantwortet.
    Aber für die bin doch ich zuständig!, hatte Hans-Ulrich ausrufen wollen, es war ihm im Halse stecken geblieben. Er, Hans-Ulrich Hacker, der im Vergleich zu Anton Bluhm viel Vitalere, sollte zu alt sein für die Zukunft des Blattes? Hatte er das richtig verstanden?
    »Ich gratuliere dir zu deinem Mut«, hatte er bissig gesagt.
    »Den braucht es tatsächlich«, hatte Anton ungerührt geantwortet.
    »Wenn du mich schon zum alten Eisen zählst, warum gibst du mir dann kein Gnadenbrot?«, hatte er dann versucht zu scherzen. »Ich könnte deine Chronik über den Untergang des Volkes der Dichter und Denker als Folge deutschen Wunderglaubens vollenden«, schlug er vor und meinte ironisch, das Thema könne jetzt, wo in Deutschland mit der Wiedervereinigung ja ein echtes Wunder geschehen sei, großes Interesse finden.
    Anton hatte seinen Scherz ernst genommen und geantwortet, er schaue nicht mehr zurück, er blicke nach vorn, das würde ihn jetzt mehr interessieren.
    Bevor Hans-Ulrich die Treppe zum letzten Stock hinaufging, suchte er eine der Toiletten auf, wusch sich die Hände und säuberte die Fingernägel, sie zeigten von der Aufräumarbeit dunkle Ränder, und kämmte das Haar. Es war grau geworden.
    Er griff nach seinem kleinen Notizheft mit integriertem Stift, blätterte darin und trug dann unter dem Datum seine Verabschiedung um sechzehn Uhr ein. Er hatte tatsächlich vergessen, es zu notieren.
    Vielleicht wird er einmal anhand seiner gesammelten kleinen Notizhefte die Geschichte des Blattes schreiben, vom Jahr 1947 bis zu dem Tag im Jahr 1990, wo er, Hans-Ulrich Hacker, es heute mit fünfundsechzig Jahren verlässt, am Anfang eines neuen, eines globalen Zeitalters. Er warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Seinen vor Jahren von ihm als modern bezeichneten Haarschnitt hatte er seitdem nicht geändert. Wie könnte ein globaler Haarschnitt aussehen? Eine Glatze, wie er sie immer öfter bei jungen Männern beobachtete?
    Er ging die Stufen der Treppe hinauf und hörte schon von Weitem lautes Stimmengewirr, dann sah er vor dem offenbar hoffnungslos überfüllten großen Konferenzraum Mitarbeiter auf dem Gang stehen. Als sie ihn erkannten, begannen sie, ihm zu applaudieren. Hans-Ulrich schritt zügig voran, merkte jedoch, wie ihm die Knie weich wurden. Wie sollte er nur die nächsten Stunden überstehen? Wie vor allem Antons Abschiedsrede? Wohin auch immer sie die Scheidenden begleiteten, Antons Abschiedsreden waren selbst in seinen schlechten Zeiten nicht nur brilliant, sie gingen ans Herz. Sie lösten bei seinen

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