Goldmacher (German Edition)
heftig hin und her, und die Gischt überflutete es bereits. Beide trugen nur ihre Badehosen. Ihre Tauchanzüge, die Masken und Schwimmflossen hatten sie wegen der Hitze im Cabanon gelassen. Sissi fröstelte unwillkürlich, obwohl die Hitze sich nicht verringert hatte.
Jetzt fielen die ersten Tropfen. Groß und schwer fielen sie auf die staubigen Terrakottafliesen der Terrasse und bildeten runde dunkelrote Kreise, Anton sah einen schrecklichen Augenblick lang Blutstropfen in ihnen. Der Regen verstärkte sich und stieg von den heiß durchglühten Felsen als Dampf auf, die Sicht wurde leicht neblig.
Sissi bemerkte trotzdem gleich die Veränderung und wie das Schlauchboot tiefer ins Wasser sank, sah, wie Simon an der Anlasserschnur des Motors riss, einmal, zweimal, mehrmals schnell hintereinander, wie er schließlich das Gleichgewicht verlor und fiel.
Sissi überließ Anton das Fernglas, sie lief zum Cabanon. Anton erriet ihre Absicht, er folgte ihr und versuchte, sie daran zu hindern, sich in den Tauchanzug zu zwängen. Es gelang ihr trotzdem. Sie ließ sich nicht von ihm aufhalten, rannte hinunter zur Bucht und befestigte die Schwimmflossen an ihren Füßen. Wie Simon war sie im Tauchen geübt und im Gegensatz zu Anton eine sehr gute Schwimmerin. Sie passte die Tauchermaske an und wog dabei die Gefahren ab, aus der Deckung der Bucht hinaus ins offene Meer zu schwimmen. Wie Wächter schützten die Felsen die Bucht, die anbrandenden Wellen brachen an ihnen und schäumten als weiße Gischt hoch auf, um dann, gezähmter, in die Bucht einzulaufen. Vor der Bucht jedoch ragte das felsige Riff mit seinen rauen Zacken aus dem Wasser. Bereits bei geringerem Seegang konnten sie nicht nur für ein Schlauchboot gefährlich werden. Jetzt, von diesen Wellen gepackt und gegen das Riff geworfen, würde sie sich unweigerlich lebensgefährlich verletzen.
Bevor Anton Sissi erreichte, war sie bereits unter einer Woge hindurchgetaucht, er sah ihren Kopf ein gutes Stück vom Strand entfernt zwischen den hereindrängenden Wassern auftauchen. Und wieder untertauchen.
Er kletterte hastig auf einen der Felsvorsprünge. Auch ohne Fernglas waren das Schlauchboot, Moritz und Simon deutlich zu erkennen. Der Motor war offensichtlich nicht wieder angesprungen, sie hatten sich unter das Seil gezwängt, das in den Schlaufen rund um das Boot herumlief, und versuchten, vom Seil gehalten, mit Händen und Armen rudernd, einen Gegenkurs zum Riff, wobei sie von jeder anstürmenden Woge unerbittlich den rauen Zacken entgegengetrieben wurden.
Anton legte eine Hand über die Augen, der Anblick des tobenden Meers und wie es Sissi und seine Söhne wie zu Spielbällen seiner Gewalt gemacht hatte, seine Ohnmacht, tatenlos dabei zusehen zu müssen, drohten ihn zu überwältigen, ihm wurde tatsächlich schwarz vor Augen. Mit großer Willensanstrengung zwang er sich, seine Hand wieder sinken zu lassen, und nun sah er, wie Sissi, die sich mit unglaublicher Kraft und großem Geschick durch das aufgewühlte Meer kämpfte, schließlich tatsächlich das Schlauchboot erreichte. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, die Anton teils mit bloßem Auge, teils durch das Fernglas verfolgte, gelang es Simon und Moritz, Sissi ins Boot zu ziehen. Endlich im Boot, brach sie zusammen, Anton sah, wie sich Moritz und Simon über sie beugten.
Eine übermächtige Angst brachte Anton nun fast um den Verstand, und er tat etwas, was er nur noch aus seiner Kindheit erinnerte, er betete. Sie kamen von weit her zu ihm, die Gebete, die ihn einst Katharina gelehrt hatte.
Während er betete, hatte er das kleine weiße Schiff mit einem Kajütenaufbau nicht bemerkt, das wie aus dem Nichts vor dem von Blitzen und Wetterleuchten erhellten dunklen Unwetterhimmel zwischen den Wellen aufgetaucht war. Es brachte die Rettung. Für Simon und Moritz. Nicht für Sissi. Von einer schier unvorstellbaren Bedrohung zu einer übermenschlichen Anstrengung angetrieben, hatte ihr Herz am Ende versagt.
15.
Anton versank in einem Ozean von Schmerz, tauchte unter, sank tiefer und tiefer. Der Schmerz war umfassend, füllte ihn aus, keine Nische blieb frei, und er konnte noch nicht einmal weinen. Er kehrte mit Moritz und Simon zurück nach Hamburg und in ein für ihn nun leeres Haus. Nächtelang ging er durch die Räume und hörte Sissis Stimme. Und irgendwann hörte er, wie sie sagte: »Nur Liebe kann die Welt retten.«
Groll, ja, Hohn überwältigte ihn. Nicht gegen die Tote. Er glaubte ihren Worten und meinte,
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