Goldmacher (German Edition)
Familiendampfer, keine Berührungsängste. Er verspürte keinerlei Eifersucht, eher schon eine Art Genugtuung. Vielleicht würde sogar eine Annäherung an den alten Freund möglich sein.
Nach der Landung in einem hochsommerlich warmen Hamburg wechselte Franz im Hotel seine Kleidung, zog einen leichten hellen Leinenanzug an und nahm ein Taxi. Er hatte Anton vorgeschlagen, schon etwas früher zu kommen. Wegen unserer alten Freundschaft, hatte er gesagt und war ganz sentimental geworden.
An der Haustür hing ein Schild mit einem Pfeil. Franz folgte ihm und gelangte durch eine schmale Passage zwischen den Häusern in den rückwärtig gelegenen Garten. Dort herrschte geschäftiges Treiben, unter einer alten Rotbuche wurden Tische und Bänke in Reihen nebeneinander aufgestellt, Lampions in Zweige gehängt und Elektrokabel verlegt, überall wurde ein bisschen gehämmert und geklopft.
Moritz und Simon versuchten, zwischen der Rotbuche und einem Ahornbaum ein Seil zu spannen. Sie schauten plötzlich gleichzeitig Franz entgegen.
»Bist du nicht der Ahab?«, rief Simon, und sie beide kamen zu ihm.
»Das kann nur Ahab sein«, sagte Moritz, »wenn es stimmt, was unser Vater erzählt. Herzlich willkommen.«
»Euer Vater und ich sind uns durch ›Moby Dick‹ sehr nahe gekommen, wenn man so will«, Franz merkte, wie er wieder sentimental wurde, und sagte schnell: »Du bist sicherlich Moritz, und du Simon, darf ich euch überhaupt noch duzen?«
Moritz und Simon gaben Franz die Hand: »Vater beneidet dich sehr um deine Enkelkinder. Er hatte nur einen Geburtstagswunsch an uns: Enkelkinder«, sagte Moritz.
»Wie viele Enkelkinder hast du denn bereits?«, wollte Simon wissen.
»Inzwischen sind es sieben«, sagte Franz.
»Oh, das werden wir wohl niemals einholen, es sei denn, wir haben gleich mit mehreren Frauen parallel Kinder«, rief Moritz aus.
»Ich soll Sie in den ersten Stock begleiten«, unterbrach Antons Haushälterin das Gespräch.
»Wir wollen später unbedingt Fotos sehen«, verlangte Simon noch, »hast du welche dabei?«
»Natürlich, immer griffbereit«, Franz tippte auf seine Brusttasche und sah Antons Söhnen, die sich wieder den Vorbereitungen für das Fest zuwandten, hinterher. Anton hatte ihm von Moritz und Simon erzählt und wie ihre Begeisterung für Geschäfte im Osten sie in einen Hase-und-Igel-Wettlauf mit einerseits mächtigen Konzernen und andererseits kleinen Betrügern getrieben hatte. Besonders Moritz wollte nicht einsehen, dass es für einen wie ihn, für einen jungen, fixen, innovativen Kerl, keine Stunde null gab. Und er wollte auch nicht sehen, wie die Alteingesessenen aus der Bundesrepublik die wirklich großen Geschäfte nicht in der ehemaligen DDR machten. Sie alle hatten längst die Siebenmeilenstiefel an und zogen mit großen Schritten weiter in den Osten, dorthin, wo Arbeit immer billiger zu kaufen war. Hier machten sie die wirklich großen Geschäfte. Irgendwann hatte Moritz und mit ihm dann auch Simon kapituliert. Beide behaupteten jedoch, sie hätten viel gelernt für die Zukunft. Auch wenn sie dafür zu viel Lehrgeld bezahlt hätten, wie sie bedauerten. Was Anton korrigiert hatte, ein Teil des Lehrgeldes habe auch er berappt.
Franz folgte der Haushälterin. Während er die Stufen der Treppe bewältigte, wusste er plötzlich, dass er durch Moritz und Simon seine Frage an Anton selbst würde beantworten können, einfacher und überzeugender, als Anton es je könnte. Zunächst jedoch, kaum waren sie unter sich, kommentierte er erst einmal die Zeichen des Alters, das ergraute Haar, die größere Leibesfülle, die allgemeine Befindlichkeit.
»Soll ich dir jetzt mal den Ahab machen?«, fragte Franz und stolzierte, ohne die Antwort abzuwarten, mit seiner Krücke und seinem steifen Bein vor Anton auf und ab. Dann setzten sie sich auf den Balkon, schauten auf das geschäftige Treiben im Garten hinunter, tranken Champagner und Franz rauchte eine Zigarette. Schließlich griff Franz in seine Anzugjacke und zog seine Brieftasche heraus, klappte sie auf und entnahm ihr mehrere Fotos, eins davon zeigte ihn im Kreise seiner sieben Enkelkinder.
»Eine große Ausbeute ist das ja noch nicht einmal, bei sechs Töchtern«, meinte er und gab das Foto an Anton weiter.
Anton betrachtete es lange.
»Ich platze vor Neid«, sagte er endlich, »Moritz und Simon hätten mir zu meinem Fünfundsiebzigsten wenigstens die Freude eines Enkelkindes machen können.«
Franz schenkte Champagner nach: »Deshalb bin
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