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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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Tempo. Das gefiel Franz überhaupt nicht. Er rüttelte wieder an seiner Schulter, dieses Mal heftiger, und forderte ihn auf, doch nicht zu bremsen, sondern Gas zu geben, denn er liebte es, in den Kurven auf dem Sitz von der einen zur anderen Seite gezogen zu werden, so wie bei seinem Vater, der in den Kurven wie ein Rennfahrer zu beschleunigen pflegte.
    »Ja, soll ich denn die beiden da umfahren?«, fragte der Chauffeur und zeigte auf zwei Fußgänger mitten in der S-Kurve.
    Franz schaute aus dem Fenster und sah im Vorübergleiten Antons gesenkten Kopf mit dem lichten blonden Haarschopf. Er kletterte geschwind auf den Rücksitz, um durchs Heckfenster vielleicht noch den Gegenstand zu erkennen, den der blonde Junge in der Hand hielt, der seine ganze Aufmerksamkeit so zu fesseln schien, dass er das schöne große Automobil, in dem er, Franz, saß und das sonst allen ein Staunen ins Gesicht schrieb, gar nicht bemerkte. Franz musste sich einigermaßen verrenken, um diesen Gegenstand gerade noch erkennen zu können: Es war ein Buch.
    »Ein Buch!«, stöhnte er auf und rutschte enttäuscht auf den Sitz zurück, wischte aber gleich mit dem Ärmel über das helle Leder, der Vater konnte sehr wütend werden, wenn er Schuhabdrücke auf dem Polster entdeckte, das Automobil gehörte zu seinen Heiligtümern.
    Nun bog der Chauffeur in die Einfahrt ein, fuhr an der Madonnenstele vorüber und im Schritttempo den Kiesweg hinunter.
    »Ein Buch!«, murmelte Franz noch einmal vor sich hin, nicht zuletzt auch deshalb, weil es ihn an die Schularbeiten erinnerte, die für diesen Tag noch ausstanden, denn selbst in den Sommerferien verlangte die Mutter von ihm, für die Schule zu üben, damit seine Zensuren besser würden. Er war dagegen fest entschlossen, weiterhin schlechte Zensuren zu schreiben, denn nur schlechte Noten würden die Mutter davon überzeugen, in den Ferien nicht mehr mit ihm zu üben, weil es einfach völlig sinnlos war.
    Noch bevor der Chauffeur die Handbremse anzog und damit den Horch zum endgültigen Stillstand brachte, öffnete Franz die Wagentür, sprang hinaus und lief auf der Flucht vor Büchern und Schulaufgaben zur Gartenpforte, die nach nebenan zu seinem Freund führte. Er kam nicht sehr weit, die Stimme der Mutter rief ihn zurück, im Wohnzimmer warte Besuch auf ihn.
    Er drehte um, nahm den Kücheneingang, lief den mit dunklem Holz getäfelten Flur hinunter und blieb ruckartig an der Türschwelle zum Wohnzimmer stehen, denn dort wartete nicht der Freund von nebenan, am großen runden Couchtisch, der mit Teegeschirr gedeckt war, saß in einem der Polstersessel ein fremder Mann. Vor ihm stand eine Schale mit Gebäck, daneben brannte eine Kerze. Ein unbekannter Duft wehte Franz entgegen. Er erinnerte ihn an den Weihrauchgeruch in der Kirche.
    Ohne den Fremden zu begrüßen, kehrte Franz um und wollte gerade zurück zur Gartenpforte laufen, doch da hörte er hinter sich das raschelnde Geräusch von Alexandras weißem, gestärktem Sommerkleid, und er hielt inne, er musste einen günstigeren Zeitpunkt für seine Flucht abwarten.
    Alexandra sah, wie ihr Sohn unschlüssig an der Türschwelle verharrte, und legte nun einen Arm um seine Schulter: »Wir haben Besuch«, sagte sie und führte ihn ins Zimmer.
    Der fremde Mann stand auf, streckte Franz die Hand entgegen und stellte sich ihm als sein neuer Lehrer vor.
    Zögernd, ja widerwillig gab Franz diesem Fremden die Hand und sah fragend seine Mutter an. Sie nickte: »Herr Heyn ist ab sofort dein Nachhilfelehrer. Du wirst bei ihm nicht nur für die Schule lernen, sondern fürs Leben«, sagte sie feierlich.
    Davon hatte sich Alexandra mehrfach bei den Vorträgen von Erhard Heyn vor dem Tibet-Kreis überzeugt, als sie überlegte, wie einerseits Franzens schulische Leistungen zu verbessern und andererseits sein stürmisches, nach Dominanz strebendes Temperament zu zügeln und in geistige Bahnen zu lenken wäre. Heyn, er unterrichtete an einem Münchner Gymnasium, erschien ihr als der geeignete Nachhilfelehrer für diese Doppelfunktion. Sie hatte mit Hubert über ihre Wahl gesprochen, der sich jedoch weit weniger um seinen Sohn zu sorgen schien.
    »Unser Franz muss sich physisch ausdrücken«, erklärte er Alexandra den täglichen sportlichen Einsatz von Franz, hinter dem seine schulischen Leistungen weit zurückblieben, »Bücherwissen lernt man später von allein, die Hauptsache ist doch, dass er sich durchsetzt.«
    Tatsächlich langweilte sich Franz im Gegensatz zu Anton,

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