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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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hörte er die Stimme des Verlagsleiters im Befehlston hinter sich. Er hätte sie gern überhört und das Büro schnurstracks verlassen, er hielt es jedoch für ratsamer, sich zu stellen, und drehte sich um: »Sie wünschen, Herr Verlagsleiter?«
    »Eine gute Reise, Herr Bluhm, kommen Sie gut nach Hause, und bedenken Sie einmal, was unser großer Schiller uns lehrt: Das Gesetz ist der Freund der Schwachen.« Das sollte wohl drohend klingen, klang aber vor allem verärgert, ja wütend.
    Johann bedankte sich, verbeugte sich noch einmal leicht und öffnete die gepolsterte Tür zum Vorzimmer, wo Anton saß, das aufgeschlagene Buch auf seinen Knien. Und so darin vertieft, dass Johann ihn zweimal ansprechen musste, bevor er aufblickte.
    Während sie kurz darauf mit der Trambahn auf dem Weg zum Hauptbahnhof die Innenstadt durchquerten, redete Johann weiter. Er beschrieb Anton in immer neuen Variationen, wie er den Verlagsleiter ins Aus geredet hatte, so nannte er seine Strategie, sich der Prüfung durch diesen Oberprüfer zu entziehen. Anton solle sich das merken: Durch andauerndes Reden könne man sich gut aus einer brenzligen Situation befreien, vielleicht sogar seinen Kopf aus der Schlinge ziehen.
    Anton hörte dem Vater ungeduldig zu, sein Blick kehrte immer wieder schnell zu dem Buch zurück, das auf seinen Knien lag und das er mit beiden Händen umfassen musste, so groß und schwer, wie es war. Er wollte weiterlesen, auch wenn er bisher wenig verstand. Es war der allererste Satz, der ihn in die Geschichte hineingezogen hatte. Nennt mich Ismael, hatte ihn dieser erste Satz aufgefordert, und dieser fremdartige Name hatte ihn Seite um Seite weiterblättern lassen. Aber nicht zuletzt wohl auch, weil Ismael ihn von seinen Gedanken ablenkte, die um das Fräulein Mizzi kreisten. Er würde sie nicht mehr wiedersehen, und dieser Gedanke verursachte ein seltsames, ungewohntes und beunruhigendes Ziehen in seiner Brust.
    Der Schaffner rief schon bald die Station Hauptbahnhof aus, und sie verließen die Trambahn. Ein strahlend blauer Himmel und steigende Temperaturen versprachen einen heißen Sommertag, und als Johann die Fahrpläne der Regionalzüge studierte, schien ihm der Ausflug an einen See naheliegender als die vergleichsweise weite Anreise zu einem der Schlösser des bayerischen Märchenkönigs. Er löste zwei Fahrkarten nach Starnberg an den Starnberger See.
    Anton war enttäuscht, nachdem ihm Katharina zum Geburtstag ein Märchenschloss versprochen hatte.
    Als er jedoch mit dem Vater dann am Ausflugsziel den Zug verließ und schon gleich vom Bahnsteig aus auf das nahe Wasser des im Sonnenlicht glitzernden weiten Sees blicken konnte, die hohen Berge dahinter sah, lief er aufgeregt die Treppen vom Bahnsteig hinunter und zum Anlegesteg, der vom Ufer bis weit in den See hinaus reichte, lief bis zur äußersten Spitze, hielt dann atemlos inne und schaute über das blau glänzende Wasser. Scheinbar unbeweglich lagen Segelboote darin, kein Wind, noch nicht einmal ein Lüftchen wehte.
    Anton blinzelte, die glatte Wasseroberfläche spiegelte ihm das Sonnenlicht heiß ins Gesicht. Er legte die Hand über die Augen und ein leichter Schwindel befiel ihn, er dachte wieder an das Fräulein Mizzi und an den Riesen und ihm wurden die Knie weich wie jedes Mal, wenn ihn unversehens die Erinnerung an die Ereignisse in der Höhle einholten. Am liebsten hätte er sich jetzt auf die warmen Holzbohlen des Anlegestegs gelegt, dem leisen Schwappen und Gurgeln der kleinen Wellen darunter zugehört und von Fräulein Mizzi geträumt. Ohne den Riesen. Aber der Vater würde das wegen der Sonntagshose, die er an seinem Geburtstag anhatte, sowieso nicht erlauben, und wahrscheinlich war es ohnehin verboten. Er schlenderte zurück. Johann stand am Ufer und studierte die Fahrpläne der Schifffahrtsgesellschaft, die in einem Schaukasten aushingen.
    »Wie heißt der See denn?«, wollte Anton jetzt wissen, er hatte nicht mehr zugehört, als der Vater, nachdem er das Märchenschloss verworfen hatte, das neue Ausflugsziel nannte, er war zu enttäuscht gewesen.
    »Das ist der Starnberger See«, antwortete der Vater.
    »Der Starnberger See?!«, rief Anton wie elektrisiert aus, senkte den Kopf, seine Augenbrauen schoben sich zusammen, und sein Blick wurde düster.
    Der Vater bemerkte Antons Veränderung nicht, er verglich die Abfahrts- und Ankunftszeiten zu den unterschiedlichen Ausflugszielen.
    »Darf ich mir zum Geburtstag etwas wünschen?«, unterbrach ihn

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