Goldmacher (German Edition)
Anton, und es klang nicht wie eine Frage, sondern bereits wie eine Forderung.
»Du hast dein Geburtstagsgeschenk doch schon bekommen«, erinnerte ihn der Vater erstaunt.
»Aber nun gut«, meinte er dann nach einem Blick auf seinen Sohn, der noch immer mit gesenktem Kopf dastand, »du darfst dir wünschen, ob wir mit dem Dampfer zur Roseninsel des bayerischen Königs oder mit einem Tretboot zu dem Strandbad dort drüben fahren«, er wies mit der Hand auf die unweit entfernt liegende Badeanstalt.
»Ich will zum Goldmacher«, sagte Anton, hob den Kopf und schaute dem Vater direkt in die Augen.
Johann erschrak. Nicht nur über den Wunsch von Anton, nicht nur über seinen Blick, mit dem er ihn bereits als kleiner Junge ansehen konnte, so fest und schmelzend zugleich, dass jeder Widerstand dahinschwand, nein, er erschrak vor allem über sich selbst.
»Zum Goldmacher?«, wiederholte Johann, immer noch ungläubig über sein Vergessen, und versuchte eine ausweichende Geste, stemmte stirnrunzelnd beide Hände in die Hüften und ließ dann die Arme wie resigniert wieder fallen, schüttelte den Kopf, er schaute über den See und fasste sich an die Stirn.
»Gott weiß, warum«, murmelte er schließlich vor sich hin und wandte sich seinem auf Antwort wartenden Sohn zu.
»Ich will dich wirklich nicht damit belasten, Anton«, begann er, »aber damals, als ich mich auf die Sache mit dem Goldmacher eingelassen habe, ging es mir auch um deine Zukunft, ich wollte für uns alle nur das Beste. Wie du weißt, ist das Gegenteil dann passiert. Und jetzt habe ich an deinem zehnten Geburtstag auch noch einen Ausflug mit dir an diesen schicksalhaften Ort unternommen, ohne mir dessen bewusst zu sein. Gott allein weiß, warum!«, wiederholte Johann und ging dann erregt auf dem Steg auf und ab, um endlich abrupt vor Anton stehen zu bleiben und ganz entschieden zu verkünden: »Dann gehen wir doch mal nachschauen, was aus dem Goldmacher geworden ist.«
Vorher kehrte er mit Anton allerdings in ein Wirtshaus ein, unweit vom Anlegesteg entfernt gelegen. Sie stärkten sich mit einer Leberknödelsuppe und einem Paar Weißwürste für den Weg. Beide waren in gespannter Stimmung. Johann, weil er an den verhängnisvollen Ort seiner wenig ruhmreichen Tat zurückkehren würde, und Anton, vor dem Teufelswerk des Goldmachers seit jeher durch seine Mutter gewarnt, wähnte sich, zumal er ja bereits Ministrant war und dazu berufen, Gott zu dienen, der ruhmreichen Aufgabe nahe, den Teufel zu bekämpfen.
Bislang hatte er ihm nur durchs Beten Beute abzujagen vermocht: Jeden Sonntag rettete er mit jeweils drei Ave-Maria pro Seele und Kirchenumrundung bei zehn Umrundungen immerhin zehn Seelen aus dem Fegefeuer. Jetzt und auf dem Weg zum Goldmacher murmelte er leise ein Ave-Maria nach dem anderen, als müsse er selber seine Seele vor dem Teufel retten, dem er gleich in Gestalt des Goldmachers begegnen würde.
Doch der Weg wurde lang, der Vater vertröstete seinen Sohn bald an jeder Biegung der Straße. Anton jedoch war insgeheim froh darum, weiter beten zu können, denn zumindest im Augenblick verfügte er zur Abwehr des Teufels nur über das Ave-Maria als Waffe, und je mehr er davon ansammelte, je mehr Zeit er hatte aufzurüsten, umso besser.
Dann blieb der Vater stehen und Anton hob den gesenkten Kopf, und da stand sie, deren Namen er den gesamten Weg über auf den Lippen geführt hatte, vor ihm, wie er sie von zu Hause aus der Kirche und von Abbildungen her kannte: Den blauen Mantel über dem roten Kleid und das Jesuskind auf dem Arm, beide lächelten ihm hold zu. Er lächelte unwillkürlich zurück.
»Hier ist es«, sagte der Vater entschieden, »ich erinnere mich an die Madonna, sie stand an der Einfahrt zum Landhaus. Ja, hier ist es.« Er blickte den Kiesweg hinunter.
»Hier?! Hier soll dieser Goldmacher wohnen, dieser Teufel?!«, platzte es aus Anton heraus.
Ungläubig blickte er zwischen der Madonna, dem Vater und dem Landhaus, das am Ende des Kieswegs zu sehen war, hin und her.
»Das kann nicht sein!«, behauptete er nicht minder entschieden wie der Vater zuvor das Gegenteil, blitzte ihn zornig an, »wo die Madonna ist, kann nicht der Teufel sein!«, rief er aufgebracht und bekreuzigte sich gleich danach vor der Jungfrau, die unverändert lieblich aus ihrer Behausung auf der steinernen Stele zu ihm hinunterlächelte.
Johann jedoch war viel zu erregt, um den Zorn seines Sohnes zu bemerken. Der geschwungene Kiesweg, die alten hohen Buchen, die
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