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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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auf seinem Gesicht. Er war nicht viel älter als sie, vielleicht zwei oder drei Jahre, er hatte sie angestarrt wie ein großer Junge, nicht wie ein Soldat.
    Sie war ins Haus und hinter die Eingangstür gesprungen, dort wollte sie warten, bis er sich mindestens hundert Schritte weit entfernt hatte. Im dunklen Flur hatte sie die Schritte des Soldaten gezählt, immer weiter, auch als sie keinen Widerhall mehr auf dem Pflaster hörte, sie wollte auf jeden Fall bis hundert zählen. Sie hatte dann aber auch noch weitergezählt, als sich schnelle Schritte näherten, hatte sogar noch weitergezählt, als schon eine Hand auf ihrem Mund lag.
    Sie wusste, dass es die Hand des deutschen Soldaten war, trotzdem zählte sie weiter, denn jetzt entfernte sie sich selber, unaufhaltsam wurde sie fortgetragen, weiter und weiter fort.
    Und plötzlich hatte sie sein Gesicht ganz nah vor sich gesehen, er lächelte ihr zu, und sie wollte nun auch ihm zulächeln. Doch dann hatte sie die Stimme der Mutter gehört, laut und deutlich, als stünde sie neben ihr, und da war sie von ihm, der sie nicht mehr festhielt, weggesprungen und hinauf in die Wohnung gelaufen.
    Als Laura nun im Schrank hinter der Kleidung hockte, spürte sie die klebrige Feuchtigkeit von Blut an ihren Schenkeln und war verwundert, es war mehr als zehn Tage zu früh gekommen. Sie wechselte ihre Unterwäsche, kehrte daraufhin in ihr Versteck zurück und harrte, weil sie nicht gleich auf die Mutter gehört hatte und nun das Versäumte wiedergutmachen wollte, bis zu ihrer Rückkehr darin aus. Den Schreck, den sie bekommen hatte, gestand sie sich nicht ein. Auch nicht das Gefühl, das sie für diesen jungen Soldaten empfunden hatte.
    Es war bereits Abend, als Laura endlich die Mutter unten im Flur ihren Namen rufen hörte. Schnell kroch sie aus dem Schrank, lief ihr und den Brüdern die Treppe hinunter entgegen und half ihnen, die schweren Säcke hinauf in die Wohnung zu schleppen. Es war Holz für den Ofen, das sie von Verwandten auf dem Land mitgebracht hatten. Auch Flaschen mit Olivenöl für den Tausch gegen Lebensmittel half sie hinauftragen.
    Die jüngeren Brüder lachten und machten Scherze, als Laura auf Nachfrage der Mutter erzählte, sie habe den Nachmittag im Schrank verbracht.
    Die Mutter aber lachte nicht, sie hatte gleich den Blutfleck auf dem Kleid ihrer Tochter bemerkt. Doch erst als ihre Söhne schliefen, wollte sie von Laura wissen, was geschehen war, sie ließ sich jede Einzelheit erzählen und erfuhr, dass Laura, weil sie keine Luft mehr bekommen hatte, ohnmächtig geworden war.
    Nachts stieg ein Seufzen in der Mutter auf, aber sie unterdrückte es, Laura schlief neben ihr, sie sollte ihre heimliche Sorge nicht bemerken.
    Eines Morgens musste sich Laura nach dem Aufstehen übergeben. Die Mutter suchte umgehend einen Arzt mit ihr auf, der bestätigte, was die Mutter seit Lauras Nachmittag im Schrank befürchtet hatte, was Laura aber lange nicht glauben wollte: Sie würde ein Kind bekommen.
    Laura war nur wenige Monate älter als siebzehn. Sie war im Kreis ihrer Familie und der befreundeten Nachbarn im Viertel Trastevere aufgewachsen, hatte die Schule bis zur achten Klasse besucht, danach half sie der Mutter im Haushalt und in dem kleinen Geschäft, einem Kurzwarenladen. Die Leones waren keine wirklich armen Leute, doch durch den frühen Tod des Vaters, der im Krieg in Abessinien gefallen war, hatte die Familie ihren Ernährer verloren. Jetzt zehrte der Krieg im eigenen Land an ihrem kleinen Wohlstand, und so lernte Laura, Kleidung auszubessern und zu nähen, und auch ihre beiden jüngeren Brüder gingen der Mutter bei allerlei Tauschgeschäften zur Hand, um die Familie durch die immer härter werdenden Jahre zu bringen.
    Wie nur sollte sie ein weiteres Kind ernähren, überlegte nun die Mutter auf dem Nachhauseweg vom Arzt, dann verbot sie Laura, darüber zu sprechen, dass in ihr ein Kind wuchs. Auch ihre beiden Brüder sollten es nicht erfahren, selbst ihrem Beichtvater dürfe sie es nicht sagen, bis sie, die Mutter, eine Lösung gefunden hätte.
    Laura nickte nur, sie verstand ohnehin nicht, was mit ihr geschehen war. Weder in der Schule noch zu Hause und auch nicht im Kurzwarenladen oder durch ihre Freundinnen hatte sie jemals etwas anderes über das Kinderkriegen erfahren, als dass der Herrgott dem Vater und der Mutter gemeinsam ein Kind schenkte.
    Aber wie konnte Gott dann ihr allein, die eigentlich noch ein Mädchen war, ein Kind schenken? Immer wieder sah

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