Goldmacher (German Edition)
gleich.
In seiner jetzt ausbrechenden Angst griff er nach ihr, umfasste sie, so fest er konnte, verschloss ihren Mund mit seiner Hand und wartete auf den Angriff. Diese Frau, die er jetzt an sich presste, würde seine Geisel sein, dachte Franz in seiner Panik.
Die Frau war ganz still, ihr Körper ganz steif. Er spürte nur ihren Atem, der flach und schnell ging und sich feuchtwarm an seiner Hand niederschlug. Er selber hielt die meiste Zeit den Atem an und lauschte. Seine Augen gewöhnten sich an das Dunkel. Von irgendwoher fiel schwaches Licht in den Hausflur, und das Gesicht seiner Geisel zeichnete sich deutlicher ab. Seine Hand verdeckte es noch immer zur Hälfte. Er erkannte es trotzdem, das Mädchen mit den hellen Augen, die Italienerin mit dem blonden Haar, die er ansprechen wollte, die ihm aber ausgewichen und ins Haus gesprungen war.
Vielleicht sollte sie, diese junge Frau, ihn in den Hinterhalt locken? Unwillkürlich presste er sie noch ein wenig fester an seinen Körper.
Die junge Frau stöhnte leise auf, ihre kaum geöffneten Augen fielen zu, ihr Körper entspannte sich und wurde schwer. Sie war aus Angst, halb erstickt von Franzens schwerer Hand über Mund und Nase und von dem Druck, mit dem sein Arm ihren Brustkorb zusammenpresste, ohnmächtig geworden.
Franz bemerkte es nicht. Er spürte nur, wie der Körper des Mädchens weich wurde, wie er nachgab, wie sein eigener Körper oder irgendetwas in ihm auf diese Weichheit und Schwere, auf dieses Nachgeben antwortete und ihm folgen wollte.
Nach einer ihm unendlich lang erscheinenden Zeit, in der nichts zu hören war als der Atem der Italienerin und sein eigener Atem, gab er dem Gefühl schließlich nach und löste vorsichtig seine Hand von ihrem Mund.
Ihr befreiter Kopf bog sich zur Seite, und er schaute in ihr Gesicht, schaute es sich an, wie er es sich bei ihrer ersten Begegnung gewünscht hatte. Schnell wurde er von seinem Zauber gefangen, und dann wollte er es einfach nur küssen und tat das auch. Die Lippen waren weich, weich und schwer, so wie ihr Körper, der ihm nachgab, er musste ihm folgen, es war stärker als alles, sogar stärker als seine Angst, ja, er vergaß alles um sich herum, auch seine Angst, er umarmte die Ohnmächtige, entblößte sie und sich und drang in die Weichheit ihres Körpers ein.
Einen Moment lang verschmolz die widerstandslose Hingabe des Mädchens mit seiner naiven Vision von der glücklichen Eroberung der Welt. In den folgenden Monaten würde er diesen Moment dann auch als den glücklichsten, bald als den einzig glücklichen in diesem Krieg erinnern.
Danach bedeckte er seine Blöße wieder und wartete, bis es aus seiner Ohnmacht, die für ihn, wann immer sie ihm in den Sinn kommen würde, Hingabe bleiben sollte, erwachte, und bat es nun mithilfe der wenigen ihm bisher zur Verfügung stehenden italienischen Worte, ihm den Weg zum Petersdom zu zeigen.
Einen Moment lang sah ihn das Mädchen verwirrt an, dann sprang es von ihm weg und starrte auf ihn wie auf eine Erscheinung, ging einige Schritte rückwärts und in einen seitlichen Durchgang, er hörte es die Treppe hinauflaufen. Franz überlegte kurz, ihm zu folgen, öffnete dann jedoch die Haustür. Sie war schwer und aus massivem Holz, er betrachtete sie einen Augenblick, verblüfft darüber, keine Angst mehr zu verspüren. Auch nicht auf dem Weg zurück zum Petersdom, den er sich erfragte. Denn anders als zuvor waren jetzt viele Passanten auf der Straße, und anders als vorher erschienen sie ihm nun nicht mehr abweisend, sie waren freundlich, ja, sie verhielten sich fast wie Verbündete.
Am nächsten Tag würde er auch für sie, für diese Verbündeten, zu seinem kriegsentscheidenden Einsatz nach Monte Cassino fliegen, war er jetzt überzeugt. Die glückhafte Begegnung mit dem Mädchen erschien ihm nun wie ein deutlicher Hinweis auf die bevorstehende Erfüllung seines geheimen Auftrags.
10.
Seit dem Einmarsch deutscher Soldaten in Rom hatte ihr die Mutter immer wieder eingeschärft, sie solle sich im Schrank hinter der Kleidung verstecken, sollten Soldaten auftauchen und sie wäre allein. Bisher hatte sich aber noch nie ein deutscher Soldat im Viertel blicken lassen, und als dieser nun plötzlich vor ihr stand, war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, sich im Schrank zu verstecken. Er war ja allein, dieser deutsche Soldat, und er sah noch nicht einmal aus wie ein Soldat. Sie hatte keinerlei Angst vor ihm und sogar gelächelt, so sehr amüsierte sie das Staunen
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