Goldmacher (German Edition)
hinter sich abschloss, bemerkte er die Stille, die ihn plötzlich umgab. Er stellte die Reisetasche ab, hängte Mantel und Schal an den Garderobenhaken, wusch sich in der Gästetoilette die Hände, trocknete sie ab und hielt inne, er fühlte sich beobachtet. Unwillkürlich blickte er sich um.
Natürlich war er allein. Paula verbrachte die Nacht noch in Rom. Morgen früh würde sie mit Veronika als Beifahrerin aufbrechen, um die ganze Strecke von Rom bis nach Hamburg in drei Tagen mit dem Auto zurückzulegen.
Er ging in die Küche. Noch bevor er den Topf auf dem Herd sah, verriet ihm der feine Duft eine frische Hühnersuppe, die Renate, seine langjährige Haushälterin, für ihn gekocht hatte. Er drehte den Herdschalter auf die höchste Hitzestufe. Wieder wähnte er sich dabei beobachtet.
So ging es ihm auch, als er die heiße Brühe mit der Einlage aus Eierstich, Gemüsen und Grießklößchen in die von der Haushälterin bereitgestellte Suppentasse füllte und sich an den gedeckten Tisch setzte.
Anton hielt inne. Und nun bemerkte er den unsichtbaren Gast: Es war Franz. Er hatte ihn schon die ganze Zeit in Gedanken begleitet, jetzt begann er eine stumme Unterhaltung mit Franz, an deren Ende er sich selber auf den Amselhof einlud, zu einem Gespräch mit Hubert Münzer, dem Zeugen, Zeitzeugen, vielleicht sogar einem Kronzeugen.
Am nächsten Morgen sprang Anton ohne zu zögern in den Paternoster, die Aussicht, mithilfe eines Kronzeugen seinen Untergang nach über zehn Jahren noch einmal anzuschieben, um ihn dann zu Ende zu bringen, trieb ihn an.
»Sie warten schon auf dich«, begrüßte ihn Leni.
»Ich brauche die Adresse und Telefonnummer von Herrn Franz Münzer«, Anton gab Leni einen Zettel, Franz Münzer, München, stand darauf, und der Name der Bank, für die er arbeitete. Dann betrat Anton sein Büro, die Ressortleiter sahen ihn erwartungsvoll an.
»Wir werden ihm ganz genau auf die Finger schauen!«, eröffnete er das tägliche Drachentötergeschäft. Der Verteidigungsminister fordere nicht nur Atomwaffen für die Bundeswehr, sondern habe dafür an Ostern in Rom auch noch den Segen von Pius XII . eingeholt, meinte Anton zu seinen Redakteuren.
»Na, dann frohe Ostern!«, wünschten sie und brachen in grimmige Heiterkeit aus.
Hans-Ulrich steckte seinen Kopf durch die Tür und reichte Anton seinen Entwurf für das zehnjährige Jubiläum herein, er folgte nur kurz der hitzigen Diskussion über atomare Aufrüstung im Osten und im Westen und über den Ehrgeiz des bundesdeutschen Verteidigungsministers, das Land ebenfalls atomar mit aufzurüsten, dann verließ er die Sitzung wieder und ging noch einmal die Gründe für seine Nachforschungen über Hubert Münzer durch. Das hatte er sich angewöhnt, wenn er sich über seine geheimen, nicht ganz legalen Wege an Auskünfte herantastete, die, wie im Fall Hubert Münzer, auf legalem Wege wohl eher nicht zu bekommen sein würden.
Einer der Gründe für diese Nachforschungen, Hans-Ulrich leugnete es nicht, war Franz. Zu dieser Ehrlichkeit hatte er sich, als er ganz gegen seine Gewohnheit bereits um vier Uhr morgens aufgewacht war, gezwungen: Der Abend auf der Dachterrasse des Hassler sollte eigentlich sein Triumph werden und dem Franz Münzer zeigen, wie weit er es gebracht hatte, der uneheliche Kleine-Leute-Sohn Hans Müller, den er damals als seinen Adjutanten gern ein bisschen geschunden und gedemütigt, ja, unter dessen Verachtung er so sehr gelitten hatte, dass er alles für ihn getan hätte, um von ihm ein bisschen geachtet zu werden.
Aber anstatt dass der Franz Münzer nun Zeuge seiner Achtung und Wertschätzung durch Anton Bluhm wurde, hatte dieser Abend ihn zum Zeugen einer kaum zu ertragenden Verbrüderung von Anton und Franz werden lassen. Obwohl er im Hassler sein Gast war, hatte sich Franz nur für Anton interessiert, ja, sich ihm geradezu angedient, wie auf der Tenne von Bauer Buck. Damals hatte Franz ihn, seinen Adjutanten, verraten.
Die Wiederholung dieses Verrats, wenn auch in umgekehrter Richtung, würde er zu verhindern wissen! Durch Hubert Münzer, er würde das Hindernis sein, das für Franz unüberwindbare Hindernis, Anton näherzukommen, denn Hubert Münzer hatte Dreck am Stecken. Da war er sich sicher, das hatte ihm heute Nacht sein Spürsinn für eine heiße Spur eingegeben. Und deshalb war im Fall Hubert Münzer nicht Anton sein Auftraggeber, er selber wollte Beute machen.
Wie heiß die Spur werden würde, konnte Hans-Ulrich jedoch nicht
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