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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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als der Hund, der seinem Herrn die Beute brachte. Und Hubert Münzer könnte eine wirklich lohnende Beute sein, nicht nur für Anton, auch für ihn selbst, Hans-Ulrich Hacker, schließlich gab es noch eine Rechnung mit dem HJ ler Franz Münzer zu begleichen.
    Er zog den kleinen Kalender, den er stets bei sich trug, aus seiner Westentasche und machte sich eine Notiz. Dabei fiel sein Blick auf den letzten Eintrag. Er steckte den Kalender zurück und beugte sich erneut über den Gang zu Anton.
    »Unsere Jubiläumsfeier findet in der Redaktion statt, meinte Leni, ist das korrekt?«, wollte er von ihm wissen.
    »Nein«, antwortete Anton wortkarg.
    »Nein?«, wiederholte Hans-Ulrich fragend.
    Anton blieb in seinem Versteck, die Jubiläumsfeier war, wie er nur zu gut wusste, ein Lieblingsthema von Hans-Ulrich, der daraufhin wieder zur Adriaküste hinüberschaute und nun über das zehnjährige Jubiläum nachdachte. Es sollte nach dem neudeutschen, amerikanisch geprägten Sprachgebrauch Image- Werbung sein. Er wollte Politiker, Künstler, Intellektuelle und Literaten einladen. Und die Kollegen anderer Blätter, damit sie darüber berichteten. Intern würde es dagegen nur eine Hausmitteilung zum Jubiläum geben, mit einem Foto von der Lizenzvergabe, auf dem Anton Bluhm neben Officer Simon zu sehen wäre. Jede weitere Selbstdarstellung sollte unterbleiben. Wir sind das Blatt, das Licht ins Dunkel bringt, aber wir selber arbeiten im Geheimen, das war eine seiner Leitlinien zum Image-Aufbau des Blatts. Für das Licht war Anton zuständig, er für die Materialbeschaffung aus dem Dunkel.
    Er hatte die Wendung gefunden, die Zeitung als Blatt zu bezeichnen, sie setzte sich schnell durch. In der gesamten Redaktion sprach bald jeder nur noch vom Blatt, wenn das eigene Produkt gemeint war.
    Bei uns laufen nicht nur alle Informationen zusammen, wir verfügen auch über mehr Informationen als irgendwer sonst in der Branche, verstieg er sich auch schon mal intern, wenn er das von ihm entwickelte, aufgebaute und ihm unterstellte Archiv lobte. Auch wenn er Anton gegenüber darauf bestand, der Hund zu sein, der seinem Herrn die Beute lieferte, so hatte er sich mit dem Archiv doch selbst zum Herrn über diese Beute gemacht.
    »Also nicht in den Redaktionsräumen«, wiederholte Hans-Ulrich noch einmal laut Richtung Anton, der darauf nur kurz nickte.
    »Der Kaiser befindet sich im Zentrum, nicht das Volk«, interpretierte Hans-Ulrich nun kühn Antons Ablehnung.
    »Richtig, wir müssen einen Titel über China machen«, stimmte Anton daraufhin vermeintlich Hans-Ulrich zu. Er hatte, wie öfter, nur mit halbem Ohr hingehört. Hans-Ulrich kannte das nur zu gut, ja, er drehte irgendwann den Spieß um und meinte, Anton dürfe nicht mit jedem Kleinkram oder auch Dreck, wie er das Tagesgeschäft schon mal nannte, belästigt werden.
    »Einen Titel über China?«, wiederholte er, als das Flugzeug ohne Vorankündigung in Turbulenzen geriet und durchsackte. Die Kaffeetasse auf dem Tablett kippte um, und ihr Inhalt schwappte über Hans-Ulrichs Glencheck-Anzug, Antons Mineralwasser über seinen hellen Flanell.
    Die Turbulenzen hielten an, sie befanden sich über den Alpen. Erst nach der Zwischenlandung in München-Riem, wo sie das Flugzeug wechseln mussten und danach mit einer zweimotorigen Propellermaschine weiter nach Hamburg-Fuhlsbüttel flogen, besserte sich das Wetter wieder. Auf halber Strecke riss sogar die Wolkendecke auf, und sie hatten Bodensicht, und Hans-Ulrich machte Anton auf die deutsch-deutsche Grenze aufmerksam, an der entlang sie ihren Flug nach Norden fortsetzten.
    »Zwingt die Grenze den Piloten zu einem Umweg?«, fragte er, wartete nicht auf eine Antwort, sondern stellte fest: »Die Grenze ist ein Umweg, ein Umweg der Geschichte, da sind wir uns doch einig.«
    Er sah zu Anton, der ihn wieder nicht gehört zu haben schien.
    Nach der Landung in Hamburg-Fuhlsbüttel nahmen sie gemeinsam ein Taxi. Anton stieg als Erster aus, das Haus, das Paula gemietet hatte, lag an einem Kanal in Innenstadtnähe. Es war ein Häuschen mit Anbauten, eine Heidschnucken-Kate, wie Paula es nannte, obwohl es, wie im Norden sonst üblich, nicht mit Reet, sondern mit Ziegeln gedeckt war. Aber es hatte Fachwerk und war weiß verputzt.
    Anton suchte in seiner Reisetasche nach dem Schlüssel für die Pforte in der Mauer, sie war mannshoch und schirmte den Vorgarten zur verkehrsreichen Straße hin ab. Mit dem Schlüssel konnte er auch die Haustür öffnen. Als er sie

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