Goldmarie auf Wolke 7
Göttin Freya wohnt, von der sogar Odin sein Wissen erwarb. Die Dämonen wissen das und respektieren mich als ebenbürtige Gegnerin. Ich sage nicht, dass es leicht wird. Maries Vater haben wir schon verloren, ebenso wie die kleine Rosalie Dorn, auch wenn diese nur schläft und nicht tot ist. Aber ich werde nicht eher ruhen, bis ich herausfinde, was aus Maries Mutter geworden ist und wohin Nergal sie verschleppt hat.« Delba strich sich eine Strähne ihres tizianroten Haares aus der Stirn. Dann legte sie ihre zarte, schmale Hand auf den Arm der Feenkönigin und blickte ihr tief in die Augen: »Wenn jemand es schafft, dann seid Ihr es. Ich glaube fest an Euch und Eure Kraft. Und ich werde alles tun, um Euch in diesem schwierigen Unterfangen zur Seite zu stehen. Das verspreche ich.«
25. Marie Goldt
(Sonntag, 27. November – 1. Advent)
»Marie ist da, Marie ist da!«, rief Finja und hüpfte im Flur auf und ab. »Ich kann übrigens schon Jingle Bells auf der Flöte spielen.« Ganz außer Atem vor Kälte antwortete ich: »Das ist ja toll«, und gab ihr einen Kuss. Über Nacht hatte es noch mehr geschneit und nun lag die Stadt unter einer weißen Decke aus Puderzucker. Ich war zwar S-Bahn gefahren, aber selbst der kurze Weg zum Kapitänshaus hatte mich vollkommen ausgekühlt. »Ist da ein Geschenk für mich drin?«, wollte Finja wissen und beäugte neugierig meine Tasche. »Bestimmt nicht, Süße, es ist ja noch nicht Weihnachten«, drängte sich Julia dazwischen und umarmte mich. »Freu dich doch einfach darüber, dass Marie heute da ist!«
»Okay, okay«, maulte Finja und trollte sich dann Richtung Wohnzimmer, wo Julias Mutter den Kaffeetisch gedeckt hatte. Im Kamin knisterte ein gemütliches Feuer, der Raum war weihnachtlich dekoriert und Tannenzweige verströmten einen aromatischen Waldduft. Ich war froh, der frostigen Stimmung daheim entkommen zu sein und den ersten Advent im Kreise netter und liebevoller Menschen verbringen zu dürfen. »Ist André gar nicht da?«, fragte ich verwundert, als ich sah, dass Gesa nur sechs Gedecke aufgelegt hatte. »Nein, ist er nicht«, knurrte Julia, für ihre Verhältnisse ungewöhnlich blass. »Und ich weiß auch nicht, ob ich ihn jemals wiedersehen möchte.« Bevor ich fragen konnte, was passiert war und weshalb Jule mich nicht angerufen hatte, kam ihr Vater aus seinem Arbeitszimmer und umarmte mich zur Begrüßung. »Schön, dich mal wiederzusehen, Marie. Wie geht es dir denn?« Als der herbe Duft seines Rasierwassers meine Nase kitzelte, durchfuhr mich ein feiner Stich. So ähnlich hatte mein Vater auch immer geduftet.
Ich erzählte, dass ich meinen Job bei der Drachenlady gekündigt hatte und nun bei Traumzeit jobbte, wo ich mich pudelwohl fühlte. Jan betrachtete mit sorgenvoller Miene meinen Verband, der zum Glück nächste Woche entfernt werden sollte. »Diese Frau müsste man verklagen«, schimpfte er. »Wie kann man nur so verhaltensgestört sein? Gut, dass du gekündigt hast! Ich freue mich, dass wenigstens deine neue Chefin netter ist. Aber bleibt dir denn bei all der Jobberei überhaupt noch genug Zeit für die Schule? Du weißt, dass du sofort bei uns anfangen kannst, wenn du möchtest. Du würdest dann bei einer geringeren Stundenzahl sehr viel mehr verdienen.« Jan von Menkwitz gehörte ein gut gehender Catering-Service, mit dem er halb Hamburg belieferte. Ich hatte schon mehrfach über sein Angebot nachgedacht, fand aber letztlich die Vorstellung komisch, für Julias Vater zu arbeiten. »Jetzt wird nicht über Jobs gesprochen, sondern Kaffee getrunken«, mischte sich Gesa in die Unterhaltung und rief dann nach Elric. Doch ihr Sohn schien keine Lust zu haben, sich uns anzuschließen, und blieb vorerst verschwunden. »Dann fangen wir eben ohne ihn an«, sagte Gesa schulterzuckend und reichte einen Teller mit Donauwelle herum. »Mhm, meine Lieblingstorte«, freute ich mich. »Ist sie aus dem Café Dornröschen?«
»Leider nein«, antwortete Gesa. »Die haben nach dem Brand im Schlosshotel am 11. September und dem spurlosen Verschwinden ihrer Tochter Rosalie immer noch geschlossen.«
Brand? Schlosshotel? Rosalie? Ich hatte keine Ahnung, wovon Julias Mutter sprach. »Habe ich dir das nicht erzählt?«, fragte Jule, die sich gleich zwei Stück Torte auf den Teller lud, ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihr die Sache mit André wirklich zusetzte. In Situationen, in denen es mir eher den Appetit verschlug, fing Jule an zu futtern. »Es gab einen Brand im
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