Goldmarie auf Wolke 7
Untergeschoss des Hotels, das zum Glück geschlossen war, weil Arbeiten an der Elektrik durchgeführt wurden. Offiziell ist also niemand zu Schaden gekommen. Trotzdem wird Rosalie, die dort ihre Ausblidung gemacht hat, seitdem vermisst. Sie hatte behauptet, zusammen mit einer Freundin in ihren Geburtstag hineinfeiern zu wollen. Dieser Freundin Melina hatte sie allerdings gesagt, sie wolle mit ihrem Freund René, dem Sohn der Hotelbesitzer, feiern. Die Eltern stehen seitdem dermaßen unter Schock, dass sie bis auf Weiteres das Café geschlossen haben.« Verwirrt von diesen schrecklichen Neuigkeiten starrte ich Jule an. Jule und ich hatten schon oft einen gemütlichen Nachmittag in der Konditorei des Café Dornröschen verbracht und dann auch immer ein bisschen mit Rosalie gequatscht. Wir waren zwar nicht befreundet gewesen, aber kannten uns von der einen oder anderen Party. Allerdings konnte ich mich daran erinnern, dass sie bei solchen Gelegenheiten immer sehr früh nach Hause musste, weil ihre Mutter extrem um sie besorgt gewesen war.
Und nun das …
»Was ist denn hier los? Ist wer gestorben?« Wir schreckten alle hoch, als Elric an den Tisch kam, die Hände in der Tasche seiner ausgebeulten Jeans. Sein Gesicht war kaum zu erkennen, weil sein Pony mittlerweile so lang war, dass man daraus schon einen Zopf hätte flechten können.
»Da bist du ja endlich, mein Schatz«, flötete Gesa, sehr darum bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. An sich waren traurige oder schwierige Themen beim Essen bei den von Menkwitz’ tabu und ich verstand auch ein bisschen, warum. Julia schob ihrem Bruder den Kuchenteller hin, Finja begann unvermittelt, ein Weihnachtslied zu singen. Gesa stupste sie sanft an. »Schätzchen, du hast wirklich eine ganz bezaubernde Stimme, aber Hausmusik machen wir später, in Ordnung?« Ich schmunzelte. Bei mir daheim herrschte meistens das große Schweigen am Küchentisch, bei Jules Familie musste man eher aufpassen, dass nicht alle durcheinanderquasselten, sangen oder sonst etwas taten, das bei Gesa Stirnrunzeln hervorrief. Der Rest des Adventskaffees verlief weitgehend harmonisch. Selbst Elric präsentierte sich von seiner charmanten Seite.
»Ich glaube, Elric ist ein bisschen in dich verknallt«, kicherte Julia, als wir später in ihrem Zimmer saßen, Tee tranken und noch mehr Kekse knabberten. Wenn das so weiterging, würde ich unter Garantie noch einen Zuckerschock bekommen. »Du spinnst«, protestierte ich. »Er kennt mich, seit er im Kindergarten war. Ich bin für ihn so etwas wie eine große Schwester.«
»Aber eine, die er seit einiger Zeit sehr sexy findet.«
»Themenwechsel! Was ist eigentlich mit dir und André? Du klangst ja vorhin richtig wütend.«
»André entwickelt sich langsam, aber sicher zu einem Kontrollfreak.« Wieso wunderte mich das überhaupt nicht?
»Er denkt, er sei so etwas wie die Krone der Schöpfung und ich diejenige, die ihn von morgens bis abends bewundernd anschmachten muss. Als ich Freitagabend nach dem Schlittschuhlaufen gesagt habe, dass ich ganz gern mit Sören und dir in die Zwergen-WG gegangen wäre, hat er gefragt: ›Wozu brauchst du diese kleinen Typen, wenn du jemanden so großes wie mich hast?‹« Ich hatte Mühe, nicht laut loszuprusten. »Und was war das nun für eine Überraschung, die er so großspurig angekündigt hatte?«
»Diese Sensation bestand darin, dass seine Eltern ihm zum Geburtstag ein Oldtimer-Cabriolet schenken werden. Er hat mir Fotos davon gezeigt und mich gefragt, ob ich nächstes Wochenende mit ihm nach Paris fliegen möchte, um das Auto in Empfang zu nehmen.«
»Verstehe! Und? Willst du?«
»Darf ich dich daran erinnern, dass wir vor den Ferien noch ein paar wichtige Klausuren schreiben? Natürlich würde ich gerne nach Paris fliegen, aber nicht um dieses Auto zu bewundern, das im Winter garantiert sowieso in der Garage stehen muss, weil es sich sonst einen Schnupfen holt.«
Nun musste ich wirklich lachen. »Ach Julia, nun sei doch nicht so oberkritisch. Typen und Autos – du weißt doch, wie das ist. Das Herz der Männer gehört in Wahrheit nicht uns Mädels, sondern der Automobilindustrie.« Ich dachte an meinen Vater und daran, wie sehr er an seiner rostigen Ente gehangen hatte. Nach seinem Tod hatten wir es kaum gewagt, sie zu verkaufen. Aber Kathrin hatte sich die Unterhaltskosten nicht leisten können. Also hatten wir Duckface, das war der Kosename des Wagens, schließlich schweren Herzens weggeben müssen.
»So
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