Goldmarie auf Wolke 7
verheimlichen, dass sie immer noch ein wenig … in mich verknallt ist.«
Meine Laune sank.
Ich versuchte, mich dagegen zu wehren, was Dylans Blick aus diesen unglaublichen bernsteinfarbenen Augen mit mir anstellte.
Ebenso wie gegen die Vorstellung, welche Probleme es unter Garantie geben würde, wenn Niki erfuhr, dass Dylan sich mehr zu mir hingezogen fühlte als zu ihr. Genieß den Augenblick, alles andere findet sich schon!, flüsterte eine Stimme mir ins Ohr. Also beschloss ich, das zu tun, wozu mein Therapeut mich ermuntert hatte: Mich fallen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass ich fliegen konnte.
28. Marie Goldt
(Mittwoch, 30. November 2011)
Obwohl wir gerade eine Englisch-Klausur schrieben, hatte ich Mühe, mich zu konzentrieren. Egal, um welches Wort es sich drehte, es erinnerte mich automatisch an Dylan. Zu dumm, dass wir gerade Romeo and Juliet durchnahmen. Julia stieß mich unter dem Tisch mit der Stiefelspitze an und guckte streng, als mir ein Aua! entfuhr. Seit sie André in die Wüste geschickt hatte, wollte sie sich wieder mehr auf sich und die Schule konzentrieren, hatte sie gesagt. Streberin!
Als es zur Pause läutete und Mrs Rogers unsere Unterlagen einsammelte, konnte ich es kaum abwarten, Julia von meinem Date mit Dylan zu erzählen. Wir stöckelten zusammen den Gang hinunter, um auf den Pausenhof zu gehen, als André und sein Freund unseren Weg kreuzten. »Na, wir haben es heute aber eilig«, sagte André mit dem schönsten Lächeln der Welt, jedoch einem so schneidenden Tonfall, dass ich mich instinktiv schützend vor Julia stellte. »Wo soll’s denn hingehen? Auf zum Nächsten?«
»Mach mal Platz, wir wollen durch!«, antwortete ich und versuchte André, der sich zusammen mit dem anderen Typen breitbeinig vor uns aufgebaut hatte, wegzuschubsen. »Es gab eine Zeit, da konnte Julia mir nicht nah genug sein. Wir wollten sogar zusammen in die Berge fahren. Und nach Paris, schon vergessen?« Jule war kreidebleich und zitterte.
»Und nun haben sich eure Pläne eben geändert. Das tut mir leid, ist aber nicht zu ändern. Also, was ist? Lasst ihr uns durch oder soll ich den Vertrauenslehrer holen? Im Übrigen benehmt ihr beiden euch gerade wie Zweitklässer!«
André fuhr sich durch das schwarz glänzende, gelockte Haar und ich sah den goldenen Siegelring an seinem Finger glänzen. Für einen Diplomatensohn ließen seine Manieren ganz schön zu wünschen übrig! »Natürlich lassen wir euch durch, wir hatten nie vor, uns euch in den Weg zu stellen. Man wird doch wohl noch mal plaudern dürfen. Immerhin war ich bis Sonntag noch derjenige, dem die liebe Julia heiße Liebesschwüre ins Ohr geflüstert hat.« Andrés Kumpel murmelte: »Komm, lass gut sein. Ich will sowieso raus, eine rauchen.« Dann zogen die beiden ab. »Danke«, flüsterte Julia und ihre Lippen bebten. »Du hast keine Ahnung, wie sehr André mir die Hölle heißmacht, seitdem ich mit ihm Schluss gemacht habe.«
»Wieso? Was macht er denn?«, fragte ich irritiert. Offenbar war ich viel zu beschäftigt mit Dylan gewesen, um zu bemerken, dass Julia in Schwierigkeiten war. »Er schickt mir blöde Mails, postet mir doppeldeutige Botschaften auf die Facebook-Pinnwand und droht, allen seinen Freunden zu erzählen, was für eine Schlampe ich bin.« Ich bekam kaum Luft vor Wut. »Wie bitte? Du, eine Schlampe? Hat der sie noch alle?« Nun kullerten Tränen über Julias Wangen und vermischte sich mit der schwarzen Wimperntusche. »Das grenzt doch schon an Mobbing. Hast du deinen Eltern davon erzählt?«
»Noch nicht«, weinte Jule, nun kaum noch zu bremsen.
»Aber warum denn nicht? Dein Vater macht Hackfleisch aus André, wenn er erfährt, dass er dich so quält.«
»Du hast ja recht. Aber ich komme mir so doof vor. Erst jammere ich herum, dass ich unbedingt mit André in die Berge auf unsere Hütte will, und dann so was. Die müssen doch denken, dass ich nicht mehr alle Nadeln an der Tanne habe.«
»Aber es kann sich doch jeder mal irren. André war ja erst auch supercharmant und er sieht gut aus. Und dann noch dieser unwiderstehliche französische Akzent. Nun hast du ihn näher kennengelernt und festgestellt, dass er ein …«
». . . selbstgefälliger Arsch ist«, vollendete Julia den Satz und ihre Augen funkelten, ein gutes Zeichen. »Den mein Dad zum Mond schießen wird, wenn er mich nicht in Ruhe lässt!«
»Na, das klingt doch schon sehr viel besser«, lächelte ich, froh, dass der Kampfgeist meiner Freundin wieder
Weitere Kostenlose Bücher