Goldmarie auf Wolke 7
von einer Stunde geworden. Sören hat ganz lieb gefragt, wie es mir geht, ob Mum immer noch Kopfschmerzen hat und ob ich gern zum Eislaufen mitgekommen wäre. Kann nicht behaupten, dass mir so was schon mal passiert wäre. Zu dumm, dass der Typ auf Marie steht! Auf Marie, die seit Neuestem echt einen guten Lauf beim männlichen Geschlecht zu haben scheint. Erst Morten, dann Sören – und wer weiß, bei wem sie gestern Abend noch so spät war?! Sie hatte echt Glück, dass Mum sich gestern mit Baldrian und Ohrstöpseln abgeschossen und deshalb nicht mitbekommen hat, dass Marie erst so spät nach Hause gekommen ist. Ist es schlimm, wenn ich gerade überlege, wie ich die Aufmerksamkeit von Sören auf MICH lenken kann? Dank unserer ISDN-Leitung habe ich ja jetzt seine Telefonnummer. Ich könnte zum Beispiel behaupten, allergisch gegen Marzipankartoffeln zu sein und seinen Rat zu brauchen. Oder ich sage, ich leide unter Fiepen im Ohr, Jucken des rechten kleinen Zehs oder … Hm, alles eine blöde Idee, solange ich nicht weiß, ob Marie ihn mag. Denn wenn ja, ist er natürlich tabu. Auch wenn ich meiner Stief-Sis gelegentlich den Hals umdrehen könnte: So etwas würde ich ihr NIE antun! Du antwortest nicht, Tagebuch?
Nun, ich kann’s verstehen, schließlich hast du ja noch nichts in dieser Art von mir zu lesen bekommen.
Weiß jetzt auch grad nicht weiter,
Deine verwirrte Lykke
30. Marie Goldt
(Donnerstag, 1. Dezember 2011)
Niki strahlte über das ganze Gesicht, als ich hereinkam. »Na, wie geht’s dir, meine Hübsche? Ist es nicht toll, dass unsere Kunden voll auf deine Märchendeko abgefahren sind, und wir jetzt schon kaum noch Prinzessin-auf-der-Erbse-Daunen haben? Nives musste heute eine neue Ladung nachbestellen, obwohl die Decken ganz schön teuer sind.« Ich wagte kaum, ihr in die Augen zu schauen, weil ich befürchtete, sie könne dann in mir lesen wie in einem offenen Buch. Deshalb murmelte ich nur: »Das ist ja super, wer hätte das gedacht?«, und ging dann schnurstracks in den Aufenthaltsraum, um meinen Mantel aufzuhängen und erst mal tief durchzuatmen. ICH MUSSTE NIKI VON MEINEM DATE MIT DYLAN ERZÄHLEN! Auch wenn ich dabei Gefahr lief, mich komplett mit ihr zu verkrachen. Ich straffte die Schultern und übte im Geiste den Satz »Hör mal, ich wollte dir noch was sagen …«, als mich plötzlich wieder dieser Schwindel erfasste, den ich so sehr fürchtete.
Oh nein, bitte nicht jetzt. Nicht während der Arbeitszeit und nicht, wenn ich Niki ein Geständnis machen musste!
Als ich wieder zu mir kam, blickte ich in die strahlend blauen Augen von Nives, die mir eine Flüssigkeit einflößte. Sie war wunderbar warm und schmeckte süß und tröstlich. »Da bist du ja wieder, liebe Marie. Wir haben uns schon Sorgen gemacht.«
Ich richtete mich auf und nahm dankbar den Becher an, den Nives mir in die Hand drückte »Das ist Holundermilch, die dich bestimmt schnell wieder auf die Beine bringt. Holunderbeeren, Ingwer, Safran, Vanille und Zimt sind wahre Wundermittel gegen Schwächeanfälle.« Fröstelnd hüllte ich mich enger in die Wolldecke, die Nives über mir ausgebreitet hatte. Der zweite Ohnmachtsanfall innerhalb kürzester Zeit.
Hörte das denn nie auf?
»Ich bin gleich wieder fit«, beeilte ich mich zu versichern. »Gebt mir fünf Minuten und ich bin startklar.«
Wenn Nives wüsste, dass ich aus lauter Angst vor der Auseinandersetzung mit Niki umgekippt war, sähe sie das Ganze bestimmt nicht so gelassen. »Lass dir Zeit, ich bin ja da«, versuchte Niki, mich zu beruhigen und ich fühlte mich noch schlechter. Schon wieder schoss mir das Bild in den Kopf, auf dem Dylan und ich uns küssten, als gäbe es kein Morgen mehr.
»Niki, ich muss dir was sagen«, flüsterte ich, als Nives nach hinten gegangen war, um meinen leeren Becher in die Spüle zu stellen. »Ich hatte eine Verabredung mit Dylan. Er hat mich zum Essen eingeladen und auch von euch erzählt. Es ist mir wichtig, dass du das weißt, weil du ihn sehr magst.« So, nun war es raus. Mein Herz raste und ich wäre am liebsten sofort im Erdboden versunken, als ich sah, wie Nikis Gesichtsausdruck von einer Sekunde auf die andere wechselte. War sie eben noch die mitfühlende Kollegin gewesen, so sah ich nun nichts weiter als pure Verachtung und Abscheu in ihrem Blick. »Und du hast diese Einladung angenommen, obwohl du weißt, dass ich mir nichts sehnlicher wünsche, als mit Dylan zusammen zu sein?« Ihre Stimme überschlug sich beinahe und ich
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