Goldmarie auf Wolke 7
erwacht war. »Wollen wir nach der Schule noch quatschen? Ich will alles über deine Verabredung mit Dylan wissen. Ich finde, du hast heute so einen Glow, wie ich ihn noch nie bei dir gesehen habe. Demnach muss es gut gewesen sein.« Jule grinste.
»Es war mehr als nur gut«, seufzte ich träumerisch. Heute Nacht hatte ich kaum ein Auge zugetan, weil ich in Gedanken jede Minute des gestrigen Abends noch einmal durchlebt und mir den Kopf darüber zerbrochen hatte, wie ich Niki beibringen sollte, dass Dylan und ich … Ja, was eigentlich? »Okay, überredet! Ich muss heute weder zur Therapie noch in den Laden. Worauf hast du Lust?«
Kurz nach dem Unterricht schlenderten Julia und ich am Rathaus vorbei und knabberten dabei gebrannte Mandeln. Auch in diesem Jahr hatte Roncalli den historischen Weihnachtsmarkt gestaltet und ich konnte es kaum erwarten, den Weihnachtsmann zu sehen, der auf seinem Schlitten über den Köpfen der Zuschauer hinwegfuhr, gezogen von starken Rentieren und begleitet von seinem lautstarken »Hohoho.« Wenig später standen wir an einer der vielen wunderschön dekorierten Holzbuden und tranken alkoholfreien Glühwein. »Und welchen Gegenstand hast du bei ihm gelassen?«, wollte Jule wissen, nachdem ich ihr alles vom Mythos der Andreasnacht und meinem Plan, Dylan unsterblich in mich verliebt zu machen, erzählt hatte. »Eine Haarspange. Ich habe sie hinter sein Badezimmerschränkchen fallen lassen, in der Hoffnung, dass er nicht so gründlich putzt.«
»Du bist ja eine richtige kleine Hexe«, lachte Jule. »Von dieser Seite kenne ich dich noch gar nicht.«
»Ich mich auch nicht«, gab ich kleinlaut zu. Irgendwie erschien mir meine Aktion plötzlich kindisch. Außerdem sollte Dylan sich freiwillig in mich verlieben, und nicht nur, weil er Opfer einer mythischen Zeremonie geworden war. Hm …
Während ich darüber nachdachte, ob das alles wirklich eine gute Idee gewesen war, begann Julia auf einmal, schallend zu lachen. Sie warf ihren Kopf in den Nacken und konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Die umstehenden Weihnachtsmarktbesucher begannen, sich nach uns umzudrehen.
»Was ist denn so komisch?«
Julia hielt sich den Bauch, während ich mir langsam richtig blöd vorkam. »Ist dir eigentlich klar, dass du in deiner Aktion einen logischen Fehler eingebaut hast?« Was??????
»Der Plan war doch, dass Dylan sich unsterblich in dich verliebt, oder nicht? Aber dafür hättest DU IHN doch zum Essen einladen müssen und ER hätte etwas bei dir lassen müssen, um sich daraufhin für immer an dich zu binden. Und nun frage ich dich: WER hat seine Haarspange bei WEM versteckt? Und WER ist jetzt derjenige, der künftig am anderen kleben wird wie die Fliege am Honig?«
Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, worauf Jule hinauswollte. Ach du Schande! Kein Wunder, dass ich heute Vormittag die Klausur kaum auf die Reihe bekommen hatte und an nichts anderes mehr denken konnte als an Dylan.
Mist, ich hatte mich selbst verzaubert!
»Und was mache ich jetzt?« Zum Glück war Julia wieder ernst geworden und nahm mich tröstend in den Arm. »Dazu fällt mir nur eines ein: Du brauchst deine Haarspange wieder, und zwar so schnell wie möglich!«
»Aber wie soll ich das denn machen? Ich kann ihm ja schlecht erzählen, dass sie mir aus Versehen hinter sein Schränkchen gefallen ist und ich jetzt erst gemerkt habe, wie dringend ich sie wieder brauche.«
»Dann musst du ihn eben möglichst bald wieder besuchen und sie dir selber wiederholen.«
»Das kann ich aber erst tun, wenn er sich von alleine meldet.«
Ich hatte mir geschworen, möglichst cool zu bleiben und erst einmal abzuwarten, wie sehr er wirklich an mir interessiert war, bevor ich mich weiter auf ihn einließ.
Es darf ihm aber nie wieder zu Gesicht kommen, weil er sonst der Qual gedenkt, die er in jener Nacht von übermenschlicher Gewalt gelitten, und er des Zaubers sich bewusst wird, wodurch großes Unglück entsteht.
Ups, ein weiterer Fehler im System: ICH durfte meine Spange nie wiedersehen …
29. Lykke Pechstein
(Donnerstag, 1. Dezember 2011)
Dear Diary,
bin vollkommen verwirrt, und das nicht nur, weil es halb sechs Uhr morgens ist. Habe gestern Abend mit Sören telefoniert, der eigentlich Marie sprechen wollte, die aber unterwegs war (und erst weit nach Mitternacht nach Hause gekommen ist, wenn ich das mal anmerken darf). Tja, was soll ich sagen? Aus einem simplen »Nee, die ist nicht da, versuch’s doch ein anderes Mal« ist ein Telefonat
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